Kalter Zwilling
Leichensektion stattgefunden hatte. Alle anderen Gebäudeteile waren wegen Renovierungsarbeiten geschlossen gewesen. Die zehn Studenten waren also die einzigen Personen, die sich zum Zeitpunkt des Mordes in diesem Gebäudetrakt der Universität zu Köln aufgehalten hatten. Der Raum war bewusst für die Vernehmung ausgewählt worden. Er lag keine zwanzig Meter vom Tatort entfernt, und Oliver Bergmann und seine Kollegen erhofften sich eine emotionale Reaktion des potenziellen Täters auf diesen Ort.
Oliver blätterte in seinen Unterlagen. Zehn Studenten im Alter von zwanzig bis vierundzwanzig Jahren, allesamt Medizinstudenten, saßen vor ihm.
»Diese beiden hier würde ich ausschließen.« Mit einem Kopfnicken deutete Oliver auf zwei extrem übergewichtige junge Männer, deren Körperausmaße deutlich über die schmalen Holzstühle hinausragten.
Petra grinste ihn an. »Schwer vorstellbar, dass sich einer von ihnen freiwillig durch einen Lüftungsschacht quetscht.«
Sie teilten die restlichen acht Studenten in drei Gruppen auf und begannen mit den Befragungen. Am Ende blieben zwei Verdächtige übrig, die kein glaubwürdiges Alibi vorbringen konnten. Eine zierliche junge Frau mit großen rehbraunen Augen namens Alex Schimpski und ein blasser junger Mann mit dem Namen Kevin Helmhold.
Beide waren schlank und kräftig genug, um durch einen engen Lüftungsschacht zu kriechen. Ihre Noten waren hervorragend und vordergründig hatten beide kein Mordmotiv. Dennoch bat Oliver Bergmann die beiden, sich in den kommenden Tagen nicht mehr als einhundert Kilometer von ihren jeweiligen Wohnorten zu entfernen.
Der junge Mann zeigte während der Vernehmung deutliche Stresssymptome. Auf die Frage nach seinen üblichen Gewohnheiten und den Laufwegen, die er beim Betreten des Universitätsgeländes nahm, antworte er nur zögerlich. Teilweise verhaspelte er sich. Oliver hatte noch einmal die Kundenliste der ermordeten Prostituierten Sophia Koslow überprüft. Zumindest der Vorname Kevin war dort verzeichnet. Kevin Helmhold könnte also durchaus eine Verbindung zu beiden Mordopfern gehabt haben.
»Die Kleine war eiskalt.« Klaus riss Oliver aus seinen Gedanken. Erstaunt hob er den Kopf. »Sieh mich nicht so an. Sie war kalt. Keinerlei Emotionen.« Klaus knabberte an seinen Fingernägeln, ein untrügliches Zeichen für Angespanntheit. Er tat dies oft, wenn er über einen Fall grübelte.
»Meinst du, sie könnte unsere Täterin sein?« Oliver schüttelte den Kopf. Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Eine Frau, die drei Menschen auf dem Gewissen haben sollte?
»Wie soll die Verbindung zu Sophia Koslow aussehen? Sie wird ja kaum bei einer Prostituierten gewesen sein?«
Klaus nickte. »Du hast recht. Aber auf der Liste von Sophias Stammkunden steht der Name Alex!«
Petra klinkte sich ein. »Es könnte Eifersucht gewesen sein. Sie hat doch erzählt, dass sie vor ein paar Wochen aus der Wohnung ihres Freundes ausgezogen ist. Wie war sein Name noch mal?«
»Peter.«
»Ein Peter steht auch auf der Stammkundenliste.« Oliver rieb sich angestrengt die Stirn. Diese verdammte Prostituierte hatte so viele Stammkunden mit Allerweltsnamen, da würden sie nie eine heiße Spur finden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass eine junge Frau mit so großen braunen Rehaugen und der weißen Haut eines Engels ein Serienkiller war.
Petra Ludwig sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und lachte. »Dein Beschützerinstinkt ist wirklich umwerfend!«
Oliver lief rot an. »Ich kann mir das nicht vorstellen. Kevin steht ebenfalls auf der Liste der Freier.« Ein plötzlicher Gedanke fuhr durch seinen Kopf. »Ich weiß, was wir als Nächstes tun. Wir prüfen, ob die beiden durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden.«
...
Sie hatte die Beine gespreizt. Das kalte Kunstleder ließ ihren Körper erschauern. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihren nackten Oberschenkeln und dem entblößten Bauch aus. Das kalte Metall blitzte unter der Untersuchungslampe auf. Fünfzigtausend Lux verwandelten ihre Haut in eine weiße, leblos erscheinende Hülle. Das Metall drang hart in sie ein und schob ihre Beine gnadenlos auseinander. Hände mit transparenten Gummihandschuhen tasteten ihren Unterbauch ab. Eine Schwester im weißen Kittel betrat den Raum mit einer Petrischale in der Hand.
Bettina Winterfeld drehte sich schweißgebadet im Bett hin und her. Wie jedes Mal, wenn sie diesen Albtraum durchlebte, begann sie zu zählen.
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