Kaltes Blut
und antiken Möbeln, von denen Hellmer sicher war, dass sie nicht vom Flohmarkt stammten. Sonja Kaufmann bot den Kommissaren einen Platz an, holte ohne zu fragen drei Gläser und eine Flasche Wasser, schenkte ein und setzte sich ihnen gegenüber auf einen der beiden Sessel. Sie musterte Julia Durant für einen kurzen Augenblick sehr intensiv, was diese jedoch nicht bemerkte.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie, schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück, die gefalteten Hände auf den Oberschenkeln.
»Wir müssen zwangsläufig mit jedem sprechen, der näheren Kontakt zu Selina Kautz hatte. Wir wollen Sie auch nicht lange aufhalten, sondern von Ihnen nur hören, was Sie über Selina wissen«, sagte Julia Durant.
»Du meine Güte, was weiß ich über Selina? Sie war eine unserer Schülerinnen, hochtalentiert, zuverlässig. Ja, das ist eigentlich alles, was ich über sie sagen kann.«
»Sie sind Tierärztin, zumindest habe ich das so in Erinnerung.«
»Richtig. Aber ich habe seit dem Wochenende meine Praxis geschlossen. Irgendwann muss auch ich mal Urlaub machen und mich auf meine Familie konzentrieren. Auch wenn ich gerade erst mit dem Reitclub in Frankreich war.«
»Selina wurde uns als eher still und zurückhaltend geschildert. Können Sie diesen Eindruck bestätigen?«
»Im Prinzip ja. Nein, eigentlich hing es von ihrer Tagesform ab, wie das bei jungen Mädchen eben so der Fall ist. Mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt.«
»Also doch eher unausgeglichen?«, hakte Durant nach, denn das würde die bisher gehörten Versionen widerlegen.
»Nein, so würde ich es nicht nennen«, korrigierte sich Sonja Kaufmann. »Selina steckte mitten in der Pubertät, und da gibt es immer wieder Hochs und Tiefs. Aber im Gegensatz zu den andern Mädchen ihres Alters, zumindest denen im Club, war sie die ausgeglichenste und sowohl psychisch als auch emotional am weitesten entwickelte, so weit ich das beurteilen kann.«
»Hatten Sie viel mit ihr zu tun?«
»Wir sind uns natürlich oft über den Weg gelaufen, haben miteinander gesprochen, aber ich bin Reitlehrerin, und sie hat bei Frau Malkow voltigieren gelernt. Ich kenne auch ihre Eltern sehr gut und bin natürlich erschüttert über das, was sie jetzt durchmachen müssen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn mirmein Sohn auf eine solche Weise entrissen würde. Ein grauenvoller Gedanke.« Sie trank einen Schluck Wasser, behielt das Glas in der Hand und drehte es, und für einen Moment schien es, als wäre sie mit ihren Gedanken weit weg. Durant entging nicht die Kühle in Sonja Kaufmanns Worten, die Anteilnahme empfand sie als gespielt.
»Wie oft sind Sie denn auf dem Hof?«
»Fast jeden Tag, bis auf wenige Ausnahmen, wenn ich zum Beispiel zu einem kranken Pferd außerhalb gerufen werde und dann auch dort übernachten muss. Ansonsten wie gesagt fast jeden Tag, auch im Urlaub. Ich habe zwei Pferde dort stehen, um die ich mich kümmern muss.«
»Sie kennen alle Mitglieder?«
»Kennen, ja und nein. Mit einigen bin ich eng befreundet, einige kenne ich gut, andere kenne ich zwar vom Sehen, es besteht aber kein näherer Kontakt. Ich weiß nicht, ob Sie mir folgen können.«
»Doch, doch«, sagte Durant. »Wie Sie sich denken können, müssen wir alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, deshalb gleich meine Frage: Gibt es jemanden auf dem Hof, den Sie für fähig halten würden, diese abscheuliche Tat begangen zu haben?«
Sonja Kaufmanns einzig sichtbare Reaktion war ein verschämtes Lächeln, das sie noch hübscher machte. »Ja, es gab jemanden, das gebe ich zu. Aber er ist nun leider auch tot. Hat er sich umgebracht, weil er Selina …?«
»Herr Mischner hat sich nicht umgebracht, er wurde selbst Opfer eines Gewaltverbrechens. Er hat Selina nicht getötet.«
Sonja Kaufmann beugte sich nach vorn und stellte ihr Glas ab. »Was sagen Sie da? Mischner wurde auch umgebracht? Das würde ja bedeuten, dass Selinas Mörder noch auf freiem Fuß ist …«
»So ist es. Deshalb ändere ich meine Frage: Wen außer Mischner hätten Sie denn noch in Verdacht?«
»Frau Durant«, sagte Sonja Kaufmann und sah die Kommissarindirekt an, »heißt das, Sie suchen den Mörder in den Reihen unserer Mitglieder? Halten Sie es wirklich für möglich, dass einer von uns eine solch grauenvolle Tat begangen haben könnte?«
»Sagen wir es so, ich halte nichts für unmöglich. Und im Augenblick führen alle Spuren zum Hof, es kann aber auch jemand sein, der mit
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