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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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fuhr, störte es niemanden. Sie erreichte Okriftel sieben Minuten vor dem ausgemachten Zeitpunkt und stellte den Wagen auf einem Parkplatz in der Nähe der Fähre ab. Sie schaltete das Radio aus, überprüfte ihre Pistole, eine reine Vorsichtsmaßnahme, und wartete. Eine fast gespenstische Stille lag über dem Ort. Durant wunderte es jetzt nicht mehr, dass keiner mitbekommen hatte, wie die Leiche von Selina nur ein paar hundert Meter weiter abgelegt worden war. Hier wurden tatsächlich mit Einbruch der Dunkelheit die Bürgersteige hochgeklappt.
    Sie stieg aus und ging auf eine Bank zu, die im diffusen Licht einerLaterne stand. Sie war nervös, aber nicht ängstlich. Fünf nach halb elf, noch immer keine Frau mit einem Irish Setter. Zwanzig vor, sie rauchte noch eine Zigarette und wollte um Viertel vor elf wütend über die vertane Zeit gehen, als sie von weitem eine Gestalt mit einem Hund auftauchen sah. Sie zertrat die halb gerauchte Zigarette, es war eine Frau. Sie sah Durant nicht an, sondern sagte nur, während sie mit langsamen Schritten an ihr vorbeizog: »Folgen Sie mir in zwei Minuten. Auf der andern Straßenseite sind auch Bänke, wo wir ziemlich ungestört sind.«
    Durant hatte das Gesicht der Frau nur schemenhaft erkannt, wartete zwei Minuten, stand auf, überquerte die Straße und gelangte auf einen breiten Rad- und Wanderweg. Sie saß auf der zweiten Bank, Durant setzte sich zu ihr und wurde von dem Hund neugierig beschnuppert.
    »Frau Malkow?«
    »Ja, aber bitte, sprechen Sie leise, hier hat alles Ohren.«
    Durant hatte sie am Mittag nur ganz kurz gesehen, als sie mit ihrem Mann, dem Pastor, sprechen wollte. Und trotzdem war ihr die Stimme am Telefon bekannt vorgekommen. Sie war zwischen Mitte vierzig und Anfang fünfzig, ihr Alter war schlecht zu schätzen, zum einen, weil sie ein recht faltiges, verlebtes Gesicht hatte, zum andern aber, weil sie eher eine Durchschnittsfrau war, mit einem durchschnittlichen Gesicht, einer durchschnittlichen Figur, ausdruckslosen Augen.
    »Weshalb wollten Sie sich mit mir treffen?«
    »Frau Durant, danke, dass Sie gekommen sind, aber ich kann nicht lange bleiben. Ich weiß auch nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich kannte Selina ziemlich gut und bin sehr erschüttert über ihren Tod …«
    »Woher kannten Sie sie? Sie war doch gar nicht evangelisch.«
    »Ich war bis vor kurzem Mitglied im Reitclub …« Als sie nicht weitersprach, sagte Durant: »Und?«
    »Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden, weil ich keine konkreten Beweise habe, aber in dem Reitclub geschehen möglicherweiseeinige merkwürdige Dinge. Sie sollten sich mal drum kümmern.«
    »Um was kümmern? Von was für merkwürdigen Dingen sprechen Sie?« Durant wurde allmählich ungeduldig, sie hasste es, wenn um den heißen Brei herumgeredet wurde, anstatt gleich auf den Punkt zu kommen, vor allem, wenn die Zeit schon so weit fortgeschritten war und ein harter und ernüchternder Arbeitstag hinter ihr lag.
    »Dort gibt es, wie es scheint, einige Frauen, die ihre perversen sexuellen Triebe ausleben, die … Nun ja …«
    »Was für Triebe?«
    »Lesben.«
    »Ja und? Lesben gibt es überall. Ist das alles, was Sie mir zu sagen haben?«
    Die Frau gab erst keine Antwort, zögerte, sagte aber schließlich: »Sie machen es offenbar auch mit jungen Mädchen.«
    »Wie jung sind die Mädchen?«
    »Vierzehn, fünfzehn, selten älter.«
    »Woher wissen Sie das? Eben haben Sie noch gemeint, sie hätten keine konkreten Beweise. Haben Sie nun welche oder nicht?« Durants Ton wurde erheblich schärfer.
    »Eine Freundin meiner Tochter hat es erzählt.«
    »Wem? Ihnen oder Ihrer Tochter?«
    »Meiner Tochter.«
    »Also gut, was genau hat sie gesagt, und wann war das?«
    »Ich kann nur wiedergeben, was meine Tochter gesagt hat. Es war im Frühjahr. Sie hat nur so merkwürdige Andeutungen gemacht, dass es dort anscheinend Frauen gibt, die sich ein paar besondere Mädchen herauspicken und mit ihnen spielen.«
    »Schön und gut, aber war dieses Mädchen auch darunter?«
    »Nein, sie hat es nur gehört.«
    »Na toll! Eine Freundin hat’s einer Freundin und wieder einer Freundin und so weiter erzählt. Die stille Post funktioniert ja wunderbar. Frau Malkow, wie glaubhaft ist dieses Mädchen?«
    »Ziemlich glaubhaft.«
    »Reitet Ihre Tochter auch oder ist sie geritten?«
    »Ja, sie war oft auf dem Hof, seit sie zehn ist. Aber sie hat nie etwas gemerkt. Doch seitdem sie das erfahren hat, ist sie nicht mehr hingegangen, genau

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