Kaltes Blut
lassen. Hier war Wut im Spiel, blanke Wut. Er hat sie richtig gequält. Blut in der Scheide, der Oberschenkel zerfetzt und die linke Brustseite zerstochen. Er wollte sie leiden sehen, so wie er gelitten hat. Richter hat von Demütigungen gesprochen, die unser Mann erfahren haben muss. Jetzt hat er sich dafür gerächt. Und trotzdem frag ich mich, was das mit Selina und Miriam zu tun hat? Er hätte doch genauso gut nur seine Frau … Irgendwie ergibt das keinen Sinn. Nehmen wir mal an, Malkow ist der Täter. Er hat mit Kerstin angefangen, ein paar Jahre verstreichen lassen und seine Mordserie mit Selina fortgesetzt. Er hat absolut perfekt gearbeitet, nicht die geringste Spur hinterlassen. Würde Malkow jetzt auf einmal so schlampig werden? Er hätte mit seiner Frau doch bestimmt gewartet, bis niemand mehr ihn verdächtigt hätte …«
»Vielleicht haben wir uns getäuscht, und Malkow wollte erst nach dem Mord an seiner Frau gefasst werden.«
»Nee, das haut irgendwie nicht hin. Wie beim Schachspiel, wenn du am Gewinnen bist und dem Gegner deinen König so hinstellst, dass du verlieren musst.«
»Ich wusste gar nicht, dass du Schach spielst.«
»Hab ich schon als Kind mit meinem Vater gespielt. Nee, zu simpel. Dann hätte er uns auch gleich seine Visitenkarte hier lassen können. Und noch was – hätte Malkow es nötig gehabt, sie in der Küche zu überfallen und zu betäuben? Er kennt doch dieses Haus. Er hätte ganz normal herkommen können, um sich mit ihr zu unterhalten, etwas zu trinken, er wäre vielleicht zwischendurch aufgestanden und hätte sie dann betäubt. Das klingt für mich logisch.«
»Woher willst du denn wissen, dass es sich so nicht abgespielt hat? Kann es nicht auch sein, dass er mit dem zerbrochenen Glas und dem Blut nur eine falsche Fährte legen wollte? Und welcher Mörder mordet auf Dauer schon logisch? Bei den Mädchen war kein Hass im Spiel, was, das kriegen wir noch raus, aber bei seiner Frau war es am Ende nur noch Hass und blinde Wut. Er hat diesmal die Kontrolle verloren und das wird ihm zum Verhängnis werden.«
»Kann sein, ich glaub diese Version aber erst, wenn wir ihn überprüft haben.«
Morbs hatte Bereitschaft, er machte ein mürrisches Gesicht, wie immer, wenn er nachts an einen Tatort gerufen wurde, was glücklicherweise nicht allzu häufig vorkam. Er stellte seine Tasche ab, besah sich die Tote und fragte trocken: »Kann ich das Ding da rausnehmen?«
»Bitte«, erwiderte Durant.
Hellmer konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er die Länge des Dildos sah. Morbs meinte nur: »Noch ein paar Zentimeter weiter, und wir hätten es oben rausziehen können.«
»Ging aber nicht«, sagte Hellmer immer noch grinsend, »da steckt doch was anderes drin.«
»Stimmt, so ’ne Art Puffer«, bemerkte Morbs, der zu seinem alten, makabren Humor zurückfand. Er nahm die Dessous aus dem Mund, betrachtete sie und nickte anerkennend. »Geschmack hat sie … hatte sie.«
»Könnt ihr wirklich darüber lachen?«, fragte Durant angewidert.
»Klar, sollen wir vielleicht in Tränen ausbrechen? Schau dich doch mal um, die hat hier ein ganzes Gruselkabinett gelagert. Die war nymphoman und hat auf ausgefallene Spielchen gestanden. Na ja, vielleicht hat sie das alles sogar als …«
»Hör auf, bitte!«, forderte Durant ihn auf. »Mir ist schon schlecht genug. Wie lange ist sie tot?«
Morbs holte sein Thermometer aus der Tasche und maß die Temperatur rektal. Nach zwei Minuten sagte er: »Etwa zwei Stunden, plus minus zwanzig Minuten. Aber bei der Innentemperatur kommen zwei Stunden hin. Die Totenstarre hat noch nicht eingesetzt, Kiefergelenk ist noch frei bewegbar, die Totenflecken an den Armen und Beinen noch konfluierend. Todeszeitpunkt also circa dreiundzwanzig Uhr. Alles weitere gibt’s morgen. Adios. Sie können sie wegbringen lassen.«
Morbs entschwand, Durant und Hellmer folgten ihm und überließen das Feld der Spurensicherung. Emily Gerber stand vor ihrem Wagen und rauchte eine Zigarette.
»Ich habe mir eben eine Schachtel gezogen«, sagte sie mit entschuldigendem Lächeln. »Ich bin immer noch so zittrig … Sie müssen es ja nicht unbedingt meinem Mann erzählen.«
»Keine Sorge. Frau Gerber, Sie sagten, Sie hätten gestern Abend mehrmals vergeblich versucht, Frau Malkow zu erreichen. War sie oft abends unterwegs?«
»Dienstags war sie immer hier. Sie hat ihre diversen Bekanntschaften hier getroffen.«
»Nur dienstags?«
»Kann auch sein, dass sie noch andere Tage
Weitere Kostenlose Bücher