Kaltes Blut
Stiche in der linken Schläfe zeugten von Überarbeitung, aber sie war sicher, dass dieser Zustand bald ein Ende haben würde. Doch die Aussicht, danach wieder mehr am Schreibtisch sitzen zu müssen als im Außendienst tätig zu sein, behagte ihr auch nicht sonderlich. Vor allem in den Sommermonaten war das Büro die reinste Folterkammer. Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken, sie war viel zu müde, und in nicht einmal sieben Stunden würde der Wecker sie aus dem Schlaf holen. Sie hatte einen Slip und ein leichtes Trägershirt an und war gerade auf dem Weg ins Bett, als das Telefon klingelte. Sie blieb stehen, dachte, nein, bitte nicht, ließ es noch zweimal klingeln und hob ab.
»Hier Gerber. Meine Frau hat eben aus Kelkheim angerufen, sie hat Frau Malkow tot aufgefunden.«
Die Müdigkeit war wie weggeblasen. »Wo in Kelkheim?«
Er gab die Adresse durch und beschrieb ihr auch den schnellsten Weg dorthin.
»Ich werde mit Herrn Hellmer hinfahren. Ist Ihre Frau in Ordnung?«
»Sie ist natürlich sehr aufgeregt, aber sie wartet dort auf Sie.«
Sie beendete das Gespräch und informierte gleich darauf Hellmer und bat ihn, auch beim KDD Bescheid zu sagen, damit von dort aus alles weitere in die Wege geleitet wurde. Sie fluchte still vor sich hin, als sie sich wieder anzog.
Als sie eine gute halbe Stunde nach dem Anruf in Kelkheim ankam, waren Hellmer und einige andere Beamte bereits vor Ort. Hellmer unterhielt sich mit Emily Gerber, die auf den ersten Blick einen sehr ruhigen und gefassten Eindruck machte, doch ihre Augen und die fahrigen Bewegungen widerlegten diesen Eindruck rasch.
»Hallo«, sagte Durant und stellte sich zu ihnen, »wann haben Sie sie gefunden?«
»Gegen Mitternacht. Ich hatte den ganzen Abend so ein blödes Gefühl, ich hab ein paarmal versucht, sie anzurufen, aber es hat sich keiner gemeldet, weder bei ihr zu Hause noch auf ihrem Handy. Deshalb bin ich hergefahren.«
»Was ist mit Herrn Malkow? Weiß er schon Bescheid?«
»Ich habe ihn noch nicht angerufen, ich hab’s vergessen.«
»Aber er war den ganzen Abend nicht zu erreichen, wenn ich Sie recht verstanden habe?«
»Zumindest hat niemand abgenommen. Ich war zuerst bei ihrem Haus in Eddersheim, aber dort war alles dunkel, und dann bin ich hierher gefahren.«
»Haben Sie die Nummer im Kopf?«
»Ich hab sie in meinem Handy gespeichert. Hier, Sie brauchen nur auf den grünen Knopf zu drücken.«
Bereits nach dem zweiten Klingeln wurde am andern Ende abgenommen.
»Ja.«
Durant drückte die Aus-Taste und sah Hellmer vielsagend an. »Er ist zu Hause. Denkst du das Gleiche wie ich?«
»Schon möglich. Aber zuerst gehen wir rein und schauen uns die Bescherung an.«
»Ist schon jemand drin?«
»Nur der Fotograf und die Spurensicherung. Der Arzt müsste jeden Moment kommen. Ich wollte auf dich warten.«
»Sie können nach Hause fahren, oder soll Sie jemand bringen?«
»Nein, nein, ich bin okay. Wirklich.«
»Wir sehen uns morgen oder besser gesagt heute.« Sie hielt kurz inne, dann meinte sie: »Frau Gerber, wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie bitten, doch noch zu warten. Wir sind in spätestens zwanzig Minuten wieder bei Ihnen.«
»Ich warte.«
Hellmer und Durant kamen ins Haus, als der Fotograf noch mittenbei der Arbeit war, indem er jedes Details fotografierte und mit der Videokamera aufnahm. Er war noch im Schlafzimmer. Sie gingen in die Küche, sahen die Glassplitter auf dem Fußboden und eine Blutspur, die sich bis ins Schlafzimmer zog.
»Er hat sie hier von hinten überfallen, als sie gerade die Gläser spülte«, sagte Durant. »Vermutlich hat er sie wie die andern betäubt und ins Schlafzimmer gezerrt. Sie ist mit einem oder beiden Füßen in die Splitter getreten. Er hat sie geschleift, hier ist eine Blutspur bis ins Schlafzimmer. Der unheimliche Besucher …«
Als der Fotograf mit dem Schlafzimmer fertig war, traten sie vors Bett. Durant legte eine Hand auf den rechten, unversehrten Oberschenkel von Helena Malkow.
»Sie ist noch warm. Die ist höchstens zwei bis zweieinhalb Stunden tot. Wer war’s?«
»Ihr Mann«, sagte Hellmer. »Auf sein Alibi bin ich gespannt. Er war den ganzen Abend nicht zu Hause… Was ist das?«, fragte er und deutete auf das schwarze Ding zwischen den Beinen.
»Sieht aus wie ein Dildo. Und in ihren Mund hat er vielleicht die Unterwäsche gestopft. Ich rühr hier jedoch nichts an, das soll unser Arzt machen. Sieht aber so aus, als hätte er sie vor ihrem Tod leiden
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