Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
Bob Youngie. Er ist im Dienst - ich rufe ihn an und sage ihm, er soll Sie zurückrufen.«
Lucas konnte die Interstate 94 vor sich erkennen. Er war ziemlich sicher, dass er nach Osten fahren sollte, aber eben nicht ganz, und so fuhr er an den Straßenrand und wartete. Youngie rief eine Minute später an. Er hatte eine raue Whiskystimme und klang nach einem älteren Mann. »Sie suchen die Martin-Brüder, Gerald und Jerome«, sagte er, nachdem Lucas sich gemeldet hatte. »Wollen Sie gleich zu ihnen hinfahren?«
»Ja. Ich bin gerade vor der 1-94.«
»Fahren Sie nach Osten, bis zur Ausfahrt eins-neun-drei. Ich bin in meinem Streifenwagen, ganz in der Nähe dieser Ausfahrt. Sie werden mich sehen, wenn Sie abgebogen sind. Ich rufe noch einen weiteren Streifenwagen; er wird ein paar Minuten nach Ihnen zu uns stoßen. Er fährt gerade aus der Stadt.«
»Diese Martin-Brüder … Ist zu erwarten, dass es Ärger mit ihnen gibt?«
»Nein, das will ich nicht sagen«, antwortete Youngie. »Sie leben zurückgezogen, mögen keine Leute auf ihrem Besitz. Sie haben schon mehrmals Jäger von ihren Feldern vertrieben, und wir mussten sie warnen, bei solchen Aktionen nicht gleich mit Gewehren in der Hand auf die Leute loszugehen. Und sie haben ein paar scharfe Hunde. Ich denke, es wäre besser, wenn wir mit zwei Streifenwagen bei ihnen aufkreuzen.«
»Der Sheriff hat Ihnen gesagt, was wir vorhaben?«
»Ja. Er meinte auch, zwei Streifenwagen wären besser.«
»Ich bin froh, Sie dabeizuhaben«, erwiderte Lucas.
Youngie war etwa so groß wie Lucas, ungefähr sechzig Jahre alt, grauhaarig, mit einem Marlboromann-Schnurrbart. Er hatte sich gegen den vorderen Kotflügel seines Wagens gelehnt und rauchte eine Zigarette, als Lucas von der Interstate abgebogen war und hinter ihm anhielt.
»Hübscher Truck«, sagte er, als Lucas ausstieg. Wie Lucas hatte Youngie kühle blaue Augen, und in ihnen glitzerte ein amüsiertes Lächeln.
»Ich habe ihn wegen der Vibrationssitze gekauft«, sagte Lucas und sah zurück zu dem blauen Lexus. »Sie sind bei langen Fahrten sehr angenehm.«
Youngie blickte ebenfalls zu dem Truck, lachte und sah dann wieder Lucas an. »Sie werden Charlie fassen?«
»Ja. Oder ihn sonst ins Jenseits befördern.«
»Ich habe das schon über Sie gehört«, sagte Youngie. »Diesen Oder-sonst-Teil.«
»Das hat der Job so mit sich gebracht«, sagte Lucas.
»Klar …« Youngie streckte die Hand aus, und Lucas schüttelte sie. Youngies Hand war rau wie eine Holzfeile. »Da kommen die Kids …«
Ein anderer Streifenwagen bog von der Interstate ab. Zwei Cops saßen darin. »Die Kids?«
»Sie sind Brüder, junge Burschen, drei oder vier Jahre Altersunterschied«, erklärte Youngie. »Ich werde sie als Deckungsteam einsetzen.«
»Meinen Sie denn wirklich …?«
»Wenn wir nicht auf alles vorbereitet sind, sollten wir gar nicht erst hinfahren.«
»Da haben Sie Recht«, erwiderte Lucas.
Youngie unterrichtete die beiden jungen Cops über den bevorstehenden Besuch auf der Farm der Martins. Er würde vor dem Farmhaus vorfahren, gefolgt von Lucas, und die Kids sollten die Zufahrt blockieren und beobachten, was sich abspielte. »Falls es Ärger gibt, fordert ihr erst Verstärkung an, dann greift ihr zu unserer Unterstützung ein«, lautete Youngies Weisung.
Einer der Kids, der seine vorzeitige Glatzenbildung durch eine Totalrasur des Schädels zu verbergen versuchte, lockerte
seine Pistole im Holster: »Wir sind coole Typen«, sagte er grinsend.
Das alte, quadratisch erbaute Farmhaus der Martins stand auf dem Kamm eines Hügels. Ein unebener Kiesweg führte den Hügel hinauf zur Seite des Hauses und dann weiter zur Rückseite. Auf halber Strecke der Zufahrt erkannte man eine Scheune im Schatten des Hauses.
Das Gebäude bestand aus zwei Etagen, war mit grauen Schindeln gedeckt und hatte zwei Dachfenster über der Veranda. Diese war groß genug für eine Schaukel, aber es gab keine. Das Haus, die Scheune und ein Rasenstück bildeten das Zentrum auf einer landwirtschaftlichen Anbaufläche von ungefähr siebzig Hektar.
Links des Hauses befand sich ein Maisfeld; rechts, am Fuß des Hügels, lag ein vernachlässigter Obstgarten mit kniehohem Unkraut zwischen den rund fünfzig alten Apfelbäumen, alle windschief geneigt wie alte Frauen mit Rückenproblemen. Ein Stück den Hang hoch, oberhalb der Apfelbäume und rechts des Kiesweges, wucherte hohes Unkraut auf einem brachliegenden Feld. Es war vor nicht allzu langer
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