Kaltes Fieber - Ein Lucas-Davenport-Roman
auszuquetschen. Er wusste zunächst nicht, von wem ich da rede. Ich sah ihm ins Gesicht, als er schließlich draufkam - sein Kumpel half ihm auf die Sprünge -, und Mann, er konnte nicht glauben, dass Pope der Killer sein sollte. Er nannte Pope einen debilen Typ, einen Beknackten.«
»Ah, Mr. Politically Correct - keine diskriminierenden Bezeichnungen …«
»Hey - wir haben doch ähnliche Gedanken gehabt. Wir haben all diese wirklich klugen Profipsychologen in
St. John’s getroffen, haben uns angehört, wie sie Pope professionell beurteilt haben. Sie haben ihn nie einen Debilen genannt. Das, was sie über Pope wissen, ist zu komplex. Aber Clanton hat es einfach gemacht: Er erkannte einen geistig zurückgebliebenen Debilen, sobald er ihm begegnete. Und er hat Recht.«
»Hmm.« Sloan wusste, was Lucas meinte. »Du glaubst also, wir wären hinter dem falschen Mann her.«
»Ja, könnte sein«, erwiderte Lucas.
»Und was ist mit der DNA?«
»Oh, Pope war bei dem Mord dabei, okay«, sagte Lucas. »Er hat ihn begangen, zumindest einen Teil davon. Aber er hat ihn nicht geplant. Er hat ihn wahrscheinlich ausgeführt, aber jemand anders hat Regie geführt. Jemand anders hat einen Wagen, jemand anders hat das Geld, jemand anders versorgt Pope mit dem Notwendigsten - mein Gott, Charlie kann sich ja kaum aus eigener Tasche ernähren. Es muss noch jemand anderen geben.«
»Wir müssen diesen Mike West aufstöbern.«
»Wir müssen jeden aufspüren, der jemals Kontakt mit Charlie Pope hatte«, sagte Lucas. »Und wir müssen noch mal nach St. John’s fahren und mit den Leuten dort reden.«
»Ohne mich«, sagte Sloan. »Ich bin für eine Weile aus dem Spiel. Ich kann kaum mehr laufen. Wenn ich durchs Haus gehe, wird’s mir so schwindlig, dass ich kotzen muss.«
»Hey - ich sage ja nicht, dass du mitkommen sollst, aber es muss einfach gemacht werden. Ich werde noch mal mit Elle reden. Sie hatte von Anfang an Recht - Pope ist nicht der wahre Killer.«
Er legte auf, ging ins Bad und blickte erneut in den Spiegel. Sein Gesicht hatte sich nicht verändert: Es zeigte immer noch die Farben einer Aubergine. Der Schmerz jedoch hatte
sich verändert: Er war ein wenig schwächer als vorher, hatte sich aber unter der ganzen Schädeldecke ausgebreitet, und er hatte das Gefühl, als ob ihm jederzeit die Schneidezähne ausfallen könnten.
Er durfte nicht noch weitere Schmerzpillen schlucken. Sie würden sein Denkvermögen lahm legen. Er gurgelte zwei Aleve-Weckamintabletten hinunter, holte einen Zeichenblock aus dem Arbeitszimmer, zusammen mit allen Papieren, die sich bisher zu den Mordfällen angesammelt hatten, und ging damit zurück zu seinem Sessel.
Er machte es sich gerade bequem, als das Telefon erneut läutete.
Sloan sagte: »Ich bin’s schon wieder. Du hast mich nachdenklich gemacht.«
»Aha …«
»Du sagst, es müsste einen zweiten Mann geben.«
»Ja.«
»Wie kommen dann die ›Großen Drei‹ ins Spiel? Sie haben was mit der Sache zu tun. Irgendwie jedenfalls. Wen haben sie beeinflusst, Charlie Pope oder diesen zweiten Mann?«
Lucas dachte einen Moment nach. Tatsächlich eine Rätselfrage. »Keine Ahnung. Wir kommen wieder auf diesen Mike West zurück.«
»Oder auf einen Mann wie Mike West«, sagte Sloan. »Ich kann nicht glauben, dass die ›Großen Drei‹ einen Roboter aus Charlie Pope gemacht haben und er in die Freiheit marschiert ist und erst dann ein Gehirn gefunden hat, das ihm das Denken abnimmt. Einen intelligenten Irren, der ihn steuert.«
»Vielleicht … vielleicht ist es jemand, den einer der ›Großen Drei‹ kannte, bevor Charlie eingebuchtet wurde. Hatte einer dieser Typen Komplizen bei seinen Verbrechen? Hat einer von ihnen mit anderen zusammengearbeitet?«
»Das weiß ich nicht. Ich kann Anderson darauf ansetzen, all die alten Akten noch einmal durchzugehen, falls du meinst, es könnte sich lohnen.«
»Ja, es könnte sich lohnen. Wir dürfen nichts außer Acht lassen.«
»Okay, ich rufe ihn an. In zehn Minuten, genauer gesagt. Jetzt muss ich erst mal zurück aufs Klo.«
Lucas zog die Knie hoch und lehnte den Zeichenblock gegen die Oberschenkel, starrte auf die leere Seite. Machte zunächst noch einen Telefonanruf, bei Shrake, dem SKA-Muskelmann, den er auf Mike West angesetzt hatte. Shrake nahm gleich beim ersten Läuten den Hörer ab.
»Sie haben nicht die kleinste Spur von ihm gefunden?«, fragte Lucas.
»Nein, nicht den Hauch einer Spur.«
»Was wissen wir über seinen
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