Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
bemerkt zu haben. Wie immer, wenn der Staubsauger an war, saß Gismo mit schreckgeweiteten Augen auf dem doppeltürigen Weinschrank im Vorzimmer. Der Einfachheit halber zog ich den Stecker aus der Steckdose. Plötzlich war es ruhig. Ganz ruhig. Vesna drehte sich langsam um und sagte: »Oh, Mira Valensky.« Mich immer mit Vor- und Nachnamen anzusprechen, hat sie seit der Zeit beibehalten, als ich ihr das Du angeboten hatte, sie es aber für unschicklich hielt, ihre Arbeitgeberin zu duzen.
»Oh, Vesna Krajner«, äffte ich sie nach, »warum willst du im Supermarkt arbeiten?«
»Weil ich finde, Sache stinkt. Deine Freundin Karin sieht das auch.«
»Sie ist nicht meine Freundin.«
»Egal, jedenfalls ist sie sehr dafür, dass ich nachsehe. Es geht gut. Mein Steuerberaterkunde ist fast zwei Monate weg, ich muss nicht putzen. Bei dir mache ich nur Nötigstes, dafür, dass ich dir bei Story helfe. Und andere zwei kann ich der Cousine überlassen.«
»Mir hilfst du damit?«
»Brauchst du keine Story?«
»Ich hab schon diese Woche fast keinen Platz dafür bekommen. Ultrakauf ist einer der besten Anzeigenkunden des ›Magazins‹.«
Vesna schnalzte mit der Zunge. »Und deswegen du gibst bei klein?«
»Klein bei.«
»Dann eben das.«
»Tue ich nicht.«
»Scheint aber so. Ich kann herausfinden, was läuft. Mich kennt niemand, und lange bleibe ich auch nicht, nur einen Monat oder zwei. Wird gut gehen.«
»Außer ein Stapel Cognac- oder Whiskykisten erwischt dich.«
»Dann lieber Cognac.«
»Hat dir deine neue Freundin Karin erzählt, dass sie uns belogen hat? Dass sie weiß, vorausgesetzt das stimmt jetzt, dass Heller die Cognac-Kisten umgestoßen hat?«
»Sie hat. Aber was hat sie tun sollen? Auf Polizeiergebnisse warten? Besser, man nimmt Sache in die eigene Hand.«
»Und lügt.«
»Hat nur nicht alles gesagt.«
Ich spielte mit dem Staubsaugerkabel und dachte nach. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, wenn sich Vesna den Supermarkt einmal von innen ansah. Auf Vesna war Verlass.
»Wo willst du eine Arbeitserlaubnis herbekommen?«
»Also siehst du ein, Mira Valensky, dass es eine gute Idee ist.«
»Abhalten kann ich dich ohnehin nicht. Auch wenn ich nicht weiß, ob ich je darüber so werde schreiben können, wie ich es will. Klar ist, dass dir das ›Magazin‹ diesmal weder Spesen noch sonst etwas zahlen wird.«
»Ist klar. Ich bekomme Job ja bezahlt. Sache mit Arbeitsgenehmigung muss klappen. Karin sagt, sie haben zu wenig Personal. Es gibt Aktion für Frauen mit Aufenthaltsbewilligung, und so eine bin ich, dass sie ganz kurze Arbeitsgenehmigung kriegen, wenn es keine Österreicher gibt, die Job tun wollen. Werde ich Regal einräumen oder besser noch im Lager arbeiten. Aber Karin sagt, dort nehmen sie nur Männer. Als ob ich nicht stark wäre. Hast du Zeit? Ich verschiebe Staubsaugen, und du erzählst alles, was du weißt.«
Zwei Stunden später luden wir Vesnas Zwillinge auf eine Pizza ein, sie waren begeistert.
Von van der Fluh war nichts zu hören gewesen. Mit gemischten Gefühlen machte ich mich auf nach Döbling. Zum Glück hatte jene Fotografin Zeit, mit der ich am liebsten zusammenarbeitete. Sie hielt dicht und war auch zu Aktionen bereit, die den Ärger unseres Chefs herausfordern konnten. Wir hatten vereinbart, uns vor der Haustüre van der Fluhs zu treffen. Erst als ich mit meinem kleinen Fiat durch die Straßen dieses Nobelviertels kurvte, wurde mir bewusst, dass die Haustüren hier meist ein ganzes Stück von der Straße entfernt waren. Je nach Größe und Anlage der Villen gab es Vorgärten, ausgedehntere Gartenlandschaften und Auffahrten durch Parks, an deren Ende man die Gebäude meist nur noch erahnen konnte.
Die Adresse, die mir van der Fluhs Sekretärin gegeben hatte, gehörte zu einem Anwesen der letzteren Sorte. Ich bremste und blieb stehen. Meine Fotografin stand schon, behängt mit allem, was sie für Innen- und Außenaufnahmen brauchte, am Gehsteig vor dem schmiedeeisernen Portal und winkte. »Ziemlicher Palast«, meinte sie durch mein heruntergekurbeltes Seitenfenster. »Wer ist van der Fluh?«
»Generaldirektor der Kauf-Kette.«
»Kein Wunder, dass das Joghurt schon wieder um zehn Cent teurer geworden ist. Immerhin hat so ein Kasten Betriebskosten.«
»Meinst du, dass ich mit dem Auto die Allee hinauffahren kann?«
»Mit dem da? Macht aber nicht viel Eindruck.«
»Vielleicht lassen sie uns wenigstens zum Lieferanteneingang. Ich wette, das ist ein Haus, das einen
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