Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
ausreichend vergewissert hatte, wie denn Liebe schmeckt. Ich goss noch einmal etwas Suppe nach, wärmte das Ganze langsam und gab dann einige Gramm Butter und geriebenen Parmesan dazu. Der Reis duftete, die Kerzen waren schon zur Hälfte heruntergebrannt, und auch meine schon von den Vormietern übernommenen etwas schäbigen weißen Küchenmöbel konnten nichts daran ändern, dass mir dieser Ort an diesem Abend romantischer erschien als jeder Sonnenuntergang am Palmenstrand.
8.
Ich saß an meinem Schreibtisch in der Redaktion und war sauer. Für den Mord an Heller hatte ich lediglich eine halbe Seite Platz bekommen – die Hälfte davon sollte ein Foto einnehmen, das den Supermarkt von außen zeigte. Morde werden in unserem Blatt üblicherweise groß aufgemacht. In Österreich ist Mord nicht eben häufig und somit allemal eine Sensation, die Spekulationen möglich macht und mit einigem Glück die Auflage steigern kann. In diesem speziellen Fall aber hatte der Chefredakteur die ganze Sache für »nicht so wichtig« erklärt und außerdem gemeint, es sei »pietätlos«, im Leben des armen Heller herumzuschnüffeln und die Ultrakauf-Angestellten zu befragen. Als ob Pietät bei seinen sonstigen Überlegungen eine Rolle gespielt hätte.
Ich kritzelte wütend spitze Pfeile auf meine Schreibtischunterlage. Gegen Ende der Sitzung hatte er mir auch noch geraten, van der Fluh nicht mit einer Homestory zu quälen. Immerhin habe der jetzt andere Sorgen. So als ob einer seiner liebsten Freunde gestorben wäre, dabei hatte er kaum Hellers Namen gekannt. Das war ein Rat gewesen, kein Befehl, zumindest kein ausdrücklicher. Ich würde seinen Rat nicht befolgen. Vorausgesetzt, van der Fluh selbst machte mir keinen Strich durch die Rechnung. Zeit und Ort waren fix vereinbart, ich hatte also keinen Grund, ihn vor unserem Treffen noch einmal anzurufen.
Mir war klar, warum der Chefredakteur so reagierte: Superkauf und Ultrakauf waren gute Anzeigenkunden. Da wollte man sich lieber keinen Ärger einhandeln. Zum Teufel mit dem vorauseilenden Gehorsam. Oder hatte van der Fluh etwa anrufen lassen? Egal, jedenfalls war Sascha Heller nicht eben beliebt gewesen. Das würde ich schreiben und auch die Gründe dafür nennen. Die rote Karin war bereit, als Betriebsrätin zumindest so viel zu sagen, wie sie mit der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Firma vereinbaren konnte. Schade allerdings, dass ich kein Wort über Hellers Mordversuch verlieren durfte. Aber das hätte Karin in große Schwierigkeiten gestürzt. Den Cognacdiebstahl würde ich natürlich erwähnen und die erstaunlich schlechten Sicherheitsvorkehrungen. Wenn ich dann noch ein Statement von van der Fluh bekäme … Wie sollte ich das alles auf dem bisschen Platz, das ich bekommen hatte, unterbringen?
Das Telefon klingelte. »Ja?«, fauchte ich in den Hörer.
»Vesna ist es. Du klingst wütend, Mira Valensky. Ich habe nichts getan.«
»Kann ja nicht wissen, wer anruft.«
»Eben.«
Ich seufzte. »Irgendetwas nicht in Ordnung?«
»Alles in Ordnung. Bis auf diese Sache mit Mord.«
»Was weißt du davon?«
»Ich kann lesen. Ich muss es aus der Zeitung erfahren, wo Mira Valensky selbst dabei gewesen ist.«
»Das steht aber nicht in der Zeitung.«
»Das hat mir eine Frau, die dort arbeitet, erzählt. Hat bei dir angerufen, und ich habe sie berichten lassen. Karin, Nachname habe ich nicht verstanden.«
»Was wollte sie?«
»Sie hat gemeint, du bist grantig auf sie. Dabei, hat sie gesagt, findet sie dich sympathisch und für eine von der Zeitung auch gar nicht von oben herab.«
Ich musste grinsen. Die rote Karin hatte sicher nicht angenommen, dass ihre Bewertungen eins zu eins an mich weitergeleitet würden. Oder doch? Immerhin war sie im Manipulieren gar nicht schlecht. »Und sonst?«
»Na, wir haben geplaudert über Supermarkt.«
»Soll ich sie zurückrufen?«
»Sie muss jetzt in die Klinik wegen dem Fuß, zur Kontrolle. Ich werde im Supermarkt arbeiten und nachsehen.«
Vor Überraschung ließ ich den Hörer fallen. »Warum?«
»Weil jemand schauen muss, was da läuft.«
»Kann ich dich zum Mittagessen treffen?«
»Nein, Kinder kommen früher aus der Schule.«
»Bist du noch in der Wohnung?«
»Natürlich, ich mache meine Arbeit.«
»Ich komme.«
Zwanzig Minuten später oder vier U-Bahn-Stationen und fünf Minuten in raschem Tempo zu Fuß schloss ich meine Wohnungstür auf. Vesna bearbeitete mit dem Staubsauger den Wohnzimmerboden und gab vor, mich nicht
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