Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
begrüßte auch die Fotografin und fragte seine Frau dann: »Wo ist Frau Brauneder?«
»Sie ist unterwegs, einkaufen.«
Es gab also doch Personal, das war beinahe beruhigend.
»Meine Güte, Clara, du hast die beiden Damen hier doch nicht nur bei Wasser warten lassen? Es ist Freitagnachmittag. Was darf ich Ihnen anbieten? Ich habe einen erstklassigen Chardonnay aus Napa Valley da, oder einen Pinot? Oder einen steirischen Sauvignon Blanc? Ich liebe die steirischen Weine!«
Was für einen Grund hatte van der Fluh, gar so herzlich mit uns zu sein? Egal, ich entschied mich für einen Sauvignon Blanc, meine Begleiterin blieb beim Mineralwasser.
»Eine hervorragende Wahl«, jubelte der Hausherr mir zu.
»Ich hole den Wein, Viktor«, sagte Frau Clara. Er bat sie, sitzen zu bleiben, und entschwand. Es war wie in einem alten Gesellschaftsstück. Bloß dass die meisten Bühnen nicht so viel Platz boten.
Van der Fluh erzählte über seinen Arbeitsalltag und davon, dass er es genoss, Rosen zu züchten, aber auch eigenhändig Kartoffeln anzubauen. Das sei eine sentimentale Erinnerung an seine Kindheit in Mecklenburg. Er habe im Garten ein Stück Erde umgestochen und pflanze alte Sorten an. »Zu sehen, wie Kartoffeln wachsen, macht einen wieder demütig«, meinte er mit ernstem Gesicht. Ich habe für die Landwirtschaft dann am meisten übrig, wenn ich ihre Produkte frisch und nett präsentiert am Ladentisch sehe. Dennoch fand ich van der Fluh in gewisser Weise beeindruckend. Zumindest aber war er ganz anders, als ich ihn eingeschätzt hatte.
Er sah auf die Uhr. »In zwanzig Minuten muss ich Sie leider verlassen.« Offenbar hatte er exakt eine Stunde für uns reserviert. Warum er sich überhaupt Zeit nahm, wusste ich immer noch nicht. Die van der Fluhs wirkten nicht so, als sähen sie sich und ihr edles Heim gerne auf den Hochglanzseiten des »Magazins«.
Vielleicht noch ein paar Fotos vor dem Kartoffelfeld?
Van der Fluh lachte. »Da ist jetzt nichts zu sehen als Erde. Die Kartoffeln sind längst geerntet.«
Dann ein Foto mit einer Kartoffel? Frau van der Fluh eilte, um eine aus dem Keller zu holen. Der Generaldirektor und seine eigene Kartoffel. Wenn das nicht ans Gemüt ging.
Höchste Zeit, ihn endlich nach dem Mord zu fragen. Nach meiner Rechnung fehlten nur mehr fünf Minuten auf die volle Stunde.
»Was sagen Sie eigentlich zum Tod von Heller?«
Sein Gesicht verschloss sich, die Antwort kam jedoch gleich bleibend freundlich. »Wir haben ein Pressekommuniqué herausgegeben, haben Sie es nicht gesehen? Ich lasse Ihnen eines in die Redaktion schicken. Eine schlimme Sache.«
»Er hatte Schlüssel für alle Filialen, ist das üblich?«
»Nein, keinesfalls. Aber er wollte wohl besonders eifrig sein. So jung und jetzt … Man sagt mir, dass er Einbrecher ertappt haben könnte, aber das werden Sie als gute Journalistin wohl schon gehört haben.«
»Ja, immerhin ist einige Wochen vorher Cognac gestohlen worden.«
»Wenn Sie wüssten, was in Supermärkten alles gestohlen wird«, warf Frau van der Fluh ein und seufzte.
»Dahinter kam man, weil die Leiterin der Fleischabteilung beinahe von einem Stapel Cognac-Kisten erschlagen worden wäre.«
Jetzt waren seine Augen nur mehr dünne Schlitze, sein Mund aber lächelte immer noch. »Sie sind sehr gut informiert, besser als die meisten in Ihrer Branche. Meinen Glückwunsch. Offenbar hatte Heller nicht so viel Glück wie die Fleischerin. Aber ich bitte Sie, zur Veröffentlichung ist das nicht gedacht, was ich jetzt so vor mich hin rede.«
Ich nickte. Das hatte ich befürchtet. »Irgendetwas, das Sie offiziell dazu sagen können?«
»Halten Sie sich bitte an das Pressepapier, ja und natürlich: Wir sind erschüttert und werden alles Menschenmögliche zur Unterstützung der Sicherheitsbehörden beitragen. Warum sind Sie so an dem Fall interessiert? Ich dachte, Ihr Metier sei ›Lifestyle‹, oder wie man das nennt.«
»Zufall«, sagte ich knapp. »Nur eines noch: Stimmt es, dass Regionaldirektor Heller vehement gegen gewerkschaftliche Aktionen aufgetreten ist?«
Frau van der Fluh schüttelte tadelnd den Kopf.
Herr van der Fluh erhob seine roten, fleischigen Hände mit den auch heute wieder perfekt manikürten Fingernägeln. »Ich bitte Sie«, sagte er beschwörend, »lassen Sie sich da von einigen ewig Unzufriedenen nichts einreden. Wir schätzen die Gewerkschaft als Gesprächspartner und arbeiten eng mit unseren Belegschaftsvertretern zusammen. Alle unsere Sub-direktoren
Weitere Kostenlose Bücher