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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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was lauft? So Sachen machen sie ja überall.«
    »Vielleicht anonym?«
    »Nicht einmal anonym.«
    »Dann muss ich selbst eine anonyme Verkäuferin erfinden. Die Sache ist wahr, entsprechende Gerüchte gibt es auch immer wieder. Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang mit dem Verschwinden von Karin. Vielleicht ist sie einfach zu unbequem geworden. Wer weiß, ob die Geschäftsführung nicht mit drinnen hängt?«
    Vesna zuckte mit den Schultern. »Wer kann das sagen? Jedenfalls spart es Geld, wenn so was lauft.«
    »Das ist eine Story wert, das interessiert die Leute. Es ist viel besser als der Mist im ›Blatt‹.«
    »Wird dem obersten Boss gar nicht gefallen, diesem Fluh.«
    »Höchste Zeit, dass ihm etwas nicht gefällt.«
    Diesmal war ich nicht so dumm gewesen und hatte in der Redaktionssitzung eine Supermarktreportage vorgeschlagen. Warum den anderen eine Bühne für ihre Vorurteile liefern? Der Chefredakteur war, wie er es bisweilen tat, in unserem Großraumbüro unterwegs und schaute dem arbeitenden Volk über die Schulter. Momentan schien es ihm vor allem Sandra angetan zu haben, sie war neu, kaum älter als zwanzig, hatte endlose Beine und einen Schmollmund. Dass sie darüber hinaus blitzgescheit und lesbisch war, konnte der arme Chefredakteur nicht wissen. Jedenfalls hatte die Redaktion ihren Spaß an seinen eher plumpen Versuchen, anzubandeln. Den größten Spaß dabei hatte allerdings Sandra selbst.
    Ich winkte diesem Pechvogel von Chefredakteur, und er kam zu mir herüber. »Ja?«, sagte er lange nicht so verständnisvoll, als wenn ich jung, mit endlosen Beinen ausgestattet und ihm sonst ziemlich unbekannt gewesen wäre.
    »Fleisch läuft ab. In der Fleischabteilung wird es gewaschen, umgepackt und dann wieder verkauft. Oder es kommt in den offenen Verkauf. Ich habe eine Zeugin. Und: Die Fleischermeisterin ist verschwunden. Niemand weiß, warum. Klar ist, dass sie solche Aktionen verweigert hat. Sie war rundum unbequem.«
    Er runzelte die Stirn. »Sie ist die Mordverdächtige. Außerdem: Die Zeugin könnte lügen. Gibt es Beweise?«
    »Die Zeugin muss übrigens anonym bleiben.«
    »Sie haben ein Trauma mit Ihrem Supermarkt. Eine anonyme Zeugin!«
    »Als ob sonst nicht geschrieben würde, was auf anonymen Hinweisen beruht. Tatsache ist: Was die Frau sagt, stimmt.«
    »Wir reden hier von Wirtschaftsberichterstattung.«
    »Ich finde, die Reportage passt eher in den Chronikteil.«
    »Das ändert nichts, hier geht es um Wirtschaft. Beweisen Sie Ihre Anschuldigungen, dann drucken wir sie.«
    »Die Zeugin arbeitet im Supermarkt. Sie will ihren Job behalten.«
    »Dann sollte sie lieber nicht mit Journalistinnen wie Ihnen über Interna reden.«
    »Sie haben nicht das Gefühl, dass wir etwas gegen solche Praktiken unternehmen sollten?« Ich machte eine Kunstpause und verwendete ein Argument, das sonst immer zog. »Gar nicht zu reden davon, dass die Menschen an Fleischskandalen und Ähnlichem immer interessiert sind. Es hat mit ihrem alltäglichen Leben zu tun. Die Vegetarier einmal ausgenommen, aber die lesen es, damit sie sich so richtig gut fühlen können.«
    »Natürlich sind solche Praktiken unappetitlich. Gerüchte gibt es immer wieder. Meine Frau kauft deswegen seit langem nur mehr in Bioläden und direkt beim Bauern ein.«
    »Kann sein, dass nicht alle Leute so viel Zeit und Geld haben. Hätten Sie etwa die Zeit?«
    Er sah mich verblüfft an. Die Idee, regelmäßig einkaufen zu gehen, war ihm offenbar noch nie gekommen.
    »Menschen haben ein Recht auf gesunde Nahrungsmittel, das sagt doch auch unser Landwirtschaftsminister. Ich sollte ihn anrufen und zu den Aussagen der Zeugin befragen.«
    Der Chefredakteur baute sich vor mir auf. »Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: ohne handfeste Beweise keine Story. Wir bringen einen kleinen Artikel über das Verschwinden der Fleischerin, aber ohne wilde Spekulationen und ohne diese angeblichen Manipulationen beim Fleisch.«
    »Die sie abgestellt hat.«
    »Sie hat den ermordeten Direktor bedroht, das will ich lesen. Das ist ein Faktum.«
    »Sie war unbequem. Man hat schon einmal versucht, sie zum Schweigen zu bringen. Jetzt ist sie verschwunden.«
    »Hören Sie eigentlich zu, wenn ich mit Ihnen rede? Vielleicht wird es Zeit, dass Sie sich nach einem anderen Arbeitgeber umsehen?«
    Ich stand auf. Wir waren gleich alt. Wir waren, da ich zum Glück meine Stiefel mit Absatz trug, gleich groß. Er war der Chef. Aber jetzt war ich wütend. Wir starrten einander wortlos

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