Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
an. Nach ein paar Sekunden klopfte er mir auf die Schulter und murmelte: »Nichts für ungut, aber Sie steigern sich da in etwas hinein«, und ging in Richtung Chefsekretariat davon. Hatte ich nun gewonnen oder verloren? Vielleicht kam es gar nicht darauf an. Ich würde meine Beweise finden.

12.
    Ich fuhr mit Vesna aufs Land. Hätte mich Grete Berger nicht auf Karins Unfall im Lager angesprochen, mir wäre wahrscheinlich bis jetzt, abgesehen vom Mord, nichts von dem aufgefallen, was sich in meiner Stammfiliale tat. Ich mochte die rote Karin mit ihrem Mundwerk, ihrem lauten Lachen, ihren trotz fortgeschrittenen Alters gefärbten Haaren. Ich machte mir Sorgen um sie, obwohl ich wusste, dass sie immer auch ihr eigenes Spiel spielte.
    Vesna und ich hatten beschlossen, uns mit Grete abseits des Supermarktes über ihre Kollegin zu unterhalten.
    Es war für Vesna nicht schwierig gewesen, herauszufinden, wo Grete wohnte. Wenn es nicht um Direktiven der Geschäftsleitung ging, war Feinfurter sehr kooperativ. Zwei Wohnsitze habe Grete, einen gleich in der Nähe des Ultrakaufs und einen in Rohlsdorf im Weinviertel. Diese Woche, das wisse er genau, sei sie im Weinviertel auf dem Hof ihrer Eltern. Sie habe sich ein paar Tage freigenommen, weil ihre Mutter einen Unfall gehabt habe. Deswegen hatten wir sie also in letzter Zeit nicht gesehen.
    Es ist erstaunlich, wie schnell man vom Norden Wiens aufs Land kommt. Die Brünnerstraße entlang, vorbei an den üblichen Einkaufszentren und Baumärkten, den vielen kleineren Geschäften und Unternehmen, die im Schatten der Großen auf Umsatz hoffen, dann kurz vor Wolkersdorf abbiegen. Nichts erinnert nun mehr an die Großstadt. Anders als im Süden und Westen Wiens, sind die Dörfer hier nicht zu Vororten der Stadt verkommen. Anfang Dezember, bei drei Grad und Regen wird allerdings jeder Gedanke an Idylle im Keim erstickt. Die Straßen waren grau, die Hausfassaden erschienen grau, die Bäume entlang der Hauptstraßen ragten ohne Laub anklagend in den grauen Himmel.
    Manchmal nehme ich mir die Zeit, zu einem meiner Lieblingsweinbauern zu fahren. So weiß ich, dass es Idylle oder zumindest idyllische Momente im Weinviertel noch gibt. Wenn die Sonne scheint, wenn man in einer der Kellergassen unter einem großen Kastanienbaum sitzt und schon leicht angesäuselt überlegt, wie viel von welcher Sorte Wein man mitnehmen sollte und was maximal in einen kleinen Fiat passt.
    Rohlsdorf lag nicht weit vom Dorf meines Weinbauern entfernt. Trotzdem verfuhren wir uns zweimal. Die Wegweiser der Gegend richten sich nicht an Touristen oder Leute wie uns, sie sind dazu da, für die Einheimischen zu dokumentieren, dass es eben noch andere Orte gibt.
    Das Haus lag an der Hauptstraße. Drei Fenster, ein graues Metalltor. Blassgelbe, schon etwas verwitterte Fassade. Wir parkten am Straßenrand. Ich suchte nach einer Klingel und fand keine. Es war Vesna, die schließlich energisch die Klinke des Tores drückte.
    »Bei uns hat jeder hereinkommen können. Nie hat es eine Klingel gegeben. Auf dem Land ist das ganz normal. Kein Unterschied, ob Bosnien oder da.«
    Ich folgte ihr mit gemischten Gefühlen. Grete wusste nichts von unserem Besuch. Der Hof war betoniert. Noch mehr Grau. Auf der einen Seite lag das Haus, auf der anderen die Mauer zum Nachbargrundstück, auf der Schmalseite endete der Betonplatz in einer alten, zum Großteil aus Holz bestehenden Scheune. Der kalte Regen tropfte mir ins Gesicht. Vesna war schon vorgegangen und stand vor der Eingangstüre. Auch hier keine Klingel. Sie klopfte energisch und trat gleichzeitig ein. Ich hielt mich hinter ihr.
    Im Vorraum standen zwei Paar lehmige Stiefel, an der Garderobe aus Holzimitat hingen ein paar alte Steppjacken. »Hallo«, rief Vesna, »ist hier jemand?«
    Die Küchentür ging auf. Heraus kam eine zirka siebzigjährige Frau in braunen Wollhosen und einem dicken blauen Pullover. Sie hinkte stark. »Ja?«, sagte die Frau abwartend.
    »Wir suchen Grete Berger. Ich bin Arbeitskollegin, und das«, Vesna deutete auf mich, »ist Freundin.«
    »Die Grete ist hinten, in dem Schuppen, gemeinsam mit dem Vater. Sie haben Glück, dass es zu regnen angefangen hat, sonst wären sie draußen gewesen.«
    Wir bedankten uns und liefen im Regen durch das halb offen stehende Tor der Scheune. Idylle hin oder her, das Landleben war nichts für mich. Auch Vesna schüttelte sich. Als sich unsere Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sahen wir zwei Gestalten neben einem blauen

Weitere Kostenlose Bücher