Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
Traktor stehen.
Die eine trug ein Kopftuch und spähte zu uns herüber. »Vesna? Mira?«
»Hallo Grete«, rief ich viel zu laut. Sie band sich mit einer raschen Bewegung das klein geblümte Kopftuch ab und kam zu uns herüber. »Was macht ihr denn hier?« Wie ihre Mutter vorher fügte auch sie hinzu: »Ihr habt ein Glück, dass wir wegen dem Regen nicht draußen sind.«
»Warum?«, fragte ich.
»EU-Bestimmungen«, seufzte sie, »die Grünbrache darf erst ab erstem Dezember gemäht werden.«
Ich nickte, als ob ich sie verstanden hätte.
»Warum seid ihr hier? Ist Karin wieder aufgetaucht? Die von der Kriminalpolizei haben bei mir angerufen, aber ich habe ihnen auch nichts sagen können.«
Vesna schüttelte den Kopf. »Wir haben einen Ausflug gemacht.«
»Bei diesem Wetter?«
Ich sprang in die Bresche und ärgerte mich, dass wir uns nicht rechtzeitig eine glaubwürdige Geschichte ausgedacht hatten. »Mein Weinbauer ist nur ein paar Orte weiter. Wir wollten Wein holen, aber er war nicht da. So haben wir gedacht, wir überraschen dich einfach.«
Grete lächelte ungläubig. »Dass ihr an mich gedacht habt … Gehen wir doch ins Haus. Vater, brauchst du mich noch?«
Der Mann, der am Traktor herumgebastelt hatte, sah kurz zu uns herüber und murmelte dann mundfaul: »Nein.«
Wenig später saßen wir in der geräumigen Küche. Ein leichter Essensduft hing noch in der Luft, es war angenehm warm. Grete hatte uns damit überrascht, dass auf ihrem Hof auch Wein produziert wurde. Sie schenkte uns Grünen Veltliner ein. »Prost«, sagte sie.
Wir prosteten ihr zu und kosteten. Gar nicht übel. Leicht, fruchtig, ausreichend Säure. Grete freute sich über mein Lob. »Die meisten Weingärten sind verpachtet, seit mein Bruder gestorben ist. Die Eltern schaffen nicht mehr alles, auch wenn ich ihnen helfe, wo es geht. Na ja, hier ist es nicht so schick wie in der Stadt, aber ich mag es.«
Über den Tisch war ein Tischtuch mit aufgedruckten Äpfeln und Birnen gebreitet. Das Tischtuch wurde durch eine durchsichtige Plastikauflage geschützt. Nicht schön, aber praktisch. Ich nickte. »Deine Mutter hatte einen Unfall?«
»Ja, sie ist gestürzt und hat sich den Knöchel geprellt. Jetzt muss sie sich eine Zeit lang schonen, also hab ich mir Urlaub genommen.«
»Aber normalerweise wohnst du in Wien?«
Sie zögerte. »Ja, normalerweise schon. Außer an zwei, drei Tagen in der Woche, da fahre ich heraus und helfe mit. Sonst müssten sie den Hof aufgeben, und wer kauft schon so einen Hof?«
»Dein Mann ist mit dir?«, fragte Vesna ohne viel Feingefühl.
»Mein Mann ist in Wien. Hans arbeitet bei der Post und hat Wechseldienst. Manchmal am Tag, manchmal in der Nacht. Da kann er nicht gut mit herausfahren. Außerdem mag er das Land nicht so. Er findet, dass es hier schmutzig ist.«
Wir sahen uns in der blitzsauberen Küche um.
»Ich bin Expertin für so was, und ich sage, hier ist es gar nicht schmutzig«, meinte Vesna. »Ich komme vom Land, damals in Bosnien wir hatten auch einen Hof. Zwar war mein Mann ein Lehrer in der Volksschule, aber der ist ja dann gestorben. Kühe haben wir gehabt und auch Schafe und natürlich Felder. Viel Arbeit, aber nur zur Pacht. Gehört hat es dem Staat. Eigentlich. War aber auch egal.«
Ich sah Vesna an. Ich hatte nicht gewusst, dass ihr früherer Mann Lehrer gewesen war. Ich wusste auch nach wie vor nicht, ob er im Krieg umgekommen war. Sie würde es mir erzählen, wenn sie es wollte.
»Ich wäre viel lieber Bäuerin geworden«, erzählte Grete und nahm einen Schluck Wein. Hier, in ihrer eigenen Umgebung, wirkte sie nicht so unsicher. »Ich bin vor fast zwanzig Jahren sogar zur Weinkönigin gewählt worden. Damals habe ich angefangen, mich nicht Grete, sondern mit meinem vollen Namen Margarita nennen zu lassen. Das klang so schön. Ich war viel fort und hab viel getanzt und gelacht. Aber auch vorher, in der landwirtschaftlichen Schule, war ich eine der Besten. Damals war klar, dass mein Bruder den Betrieb übernehmen wird. So bin ich arbeiten gegangen, zuerst in das Lebensmittelgeschäft bei uns im Ort, und natürlich hab ich weiter daheim mitgeholfen. Als Weinkönigin hab ich dann meinen Mann kennen gelernt. Er war schon bei der Post. Lustig war er, er ist mit mir nach Wien tanzen gefahren. Ich weiß nicht, ob ihr euch das vorstellen könnt, aber ich war als Mädchen so gut wie nie in Wien. Das war die große Welt für mich. Na ja. Dann wurde ich schwanger, und wir haben geheiratet.«
»Du
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