Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
schaffen.
Karotten, Zwiebel, ein kleines Stück Sellerie, eine gelbe Rübe in Scheibchen schneiden und in etwas Öl anrösten. Dann den Tafelspitz anbraten. »Was ist an einem Tafelspitz schon komisch?«, hatte mich mein Kollege gefragt. Woher sollte ich das wissen? Vielleicht hatte sich die rote Karin doch getäuscht. Mit so viel Wasser aufgießen, dass das Fleisch gerade bedeckt war, Salz, Pfefferkörner, Neugewürzkörner, Lorbeerblatt, frische Petersilie, den Deckel des Druckkochtopfes aufsetzen, eine halbe Stunde kochen lassen.
Für Gismo schnitt ich einen Teil des Rindsschnitzelfleisches klein. Rindsschnitzel waren in meiner Kindheit immer zäh gewesen, und zwischen den Zähnen waren Fasern hängen geblieben. Ich hatte nie versucht, bessere Rindsschnitzel zu machen, ich mied diese Art von Fleisch einfach.
Als Nächstes schnitt ich zwei große Zwiebeln in dicke Ringe, röstete sie in Olivenöl an, gab eine Hand voll Rosinen, Salz und Pfeffer dazu und goss das Ganze mit reichlich Prosecco auf. Die Zwiebeln sollten leise vor sich hin köcheln, bis der Sud dicklich wurde.
Ob van der Fluh kochen konnte? So sah er mir nicht aus. Seine Welt war geteilt in eine der Männer und eine der Frauen. Frauen gingen einkaufen und kochten, Männer führten die Geschäfte. Er hatte sich selbst wiederholt als »altmodisch« bezeichnet. Das war als Koketterie gedacht, hatte aber wohl viel Wahres. Ein deutscher Patriarch mit roten Händen und manikürten Fingernägeln. Keiner, der sich seine Pläne durchkreuzen ließ. Nicht von Gewerkschafterinnen und auch nicht von neugierigen Journalistinnen.
Ich briet den Kalbslungenbraten an und schob ihn dann bei nur achtzig Grad ins Rohr. Er sollte die nächste Stunde durchziehen. Den Bratenrückstand goss ich mit trockenem, kräftigem Weißburgunder auf, ließ die Flüssigkeit einkochen, schenkte mir ein Glas vom selben Wein ein und nahm einen großen, kühlen Schluck.
Schon richtig, dass von guten Supermärkten viel mehr erwartet wurde als bloß ein entsprechendes Warenangebot. Es war nicht einfach, einen derartigen Konzern mit Erfolg zu managen. Entweder hatten van der Fluh und seine Leute in der Zentrale eine Menge Glück, oder sie waren ausreichend skrupellos, oder sie waren extrem gut. Warum entweder oder? Weder schwarz noch weiß, weder nur gut noch nur böse, sondern von allem etwas. Interessant war bloß, wie die Anteile gewichtet waren. Richtige Schurken waren mir lieber.
Ich gab ein paar Löffel Kapern in die Weinsauce, drückte etwas Sardellenpaste dazu und pürierte sie dann. Ich kostete. Noch etwas Pfeffer. Vorerst fertig. Vor dem Servieren würde ich die Sauce wärmen und noch zwei Esslöffel Sahne darunter ziehen.
Richtige Schurken, Mörder zum Beispiel. Hellers Mörder. Aber woher wusste ich, ob er oder sie aus Motiven gemordet hatte, die ausschließlich böse waren? Niemand im Supermarkt hatte Heller ausstehen können. Er hatte den Überfall auf Grete vertuscht und ihr Mitgefühl und Hilfe verweigert, er hatte die Cognac-Kartons umgestoßen, weil er die rote Karin aus dem Weg haben wollte. Es gab keine Entschuldigung für einen Mord, aber Beweggründe, die ich vielleicht verstehen konnte.
Ich schnitt den Schweinslungenbraten in möglichst kleine Stückchen, briet das Fleisch gemeinsam mit gehacktem Peperoncino und zerrissenen Salbeiblättern in Olivenöl und Butter scharf an und löschte mit etwas Weißwein ab. Mir selbst goss ich ein zweites Glas Weißburgunder ein. Ich spürte, wie mir der Wein in den Kopf stieg, ich fühlte mich leicht und entspannt.
Egal, was bei den Laborproben herauskommen würde, das Fleisch sah gut aus, und es roch gut. Wahrscheinlich hätte ich mir diese Aktion schenken können. Außerdem war es schon einige Zeit her, seit sich Karin über das »komische Fleisch« beschwert hatte. Irgendetwas war damals vielleicht faul gewesen, jetzt schien es wieder in bester Ordnung zu sein.
Ich nahm die beiden ausgelösten Schweinskoteletts, schnitt sie in jeweils vier dünne Scheiben und marinierte sie in mit Salz, Pfeffer und Thymian gewürztem Madeira. Das Menü im Parkhotel war hervorragend gewesen, die Kosten dafür fielen wohl unter Werbungskosten. Ob die Zutaten aus den eigenen Supermärkten stammten? Wohl kaum. Mir kam eine Idee: Was, wenn Ultrakauf in seinen Filialen hochklassige Menüs in Toprestaurants anbieten würde, gekocht ausschließlich mit Zutaten aus dem Ultrakauf? Offenbar wirkte die Strategie von van der Fluhs Marketingleuten, wenn
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