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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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hatte es mit einer besonderen Art der Weihnachtsheuchelei zu tun. Blieb nur zu hoffen, dass der Gefallen, den die Lebensmittelchemikerin Oskar schuldete, groß genug war. Ich musste ihn dringend danach fragen, wie er sich ihre Gunst erworben hatte.
    Vesna brüllte auf ihre brüllenden Zwillinge ein und sagte dann: »Ich werde versuchen herauszufinden, ob in den anderen Supermärkten auch Seltsames geschehen ist. Kein Mord, das nicht, das erfährt man, aber vielleicht ist noch wer vom Fleisch verschwunden. Oder verunfallt. Es gibt welche, die haben vorher in anderen Filialen gearbeitet. Die werde ich fragen.«
    Schrecklich! Ultrakauf hatte in Wien nicht acht oder zehn, sondern sechzehn Filialen. Auch wenn ich mich diesmal darauf beschränkt hatte, nur einige Portionen pro Filiale einzukaufen, der Kofferraum meines Autos war voll Fleisch. Ein Glück nur, dass es noch immer Temperaturen um den Gefrierpunkt hatte. Anderenfalls hätte ich mich einige Stunden später über verdorbenes Fleisch nicht wundern müssen.
    Die meisten der Supermärkte waren deutlich älter als der in der Mayerlinggasse und lange nicht so geräumig. Aber überall trugen Kassiererinnen und Verkäuferinnen dieselben unförmigen blau-gelben Kittel. Vielleicht sollte ich van der Fluh den Tipp geben, die Uniform abzuschaffen. Als Zeichen für Fortschritt und Bekenntnis zur Individualität. Noch etwas sollte ich ihm erzählen: Von sieben Filialleitern, die ich zu Gesicht bekommen hatte, waren sechs männlich gewesen. Aber wahrscheinlich fiel das unter Tradition, und die wollten er und seine Marketingstrategen ja hochhalten.
    Ich ächzte beim Gedanken, die Säcke mit Fleisch nach oben in meine Wohnung schleppen zu müssen. Um die Kosten dieser Aktion hätte ich ein schönes Wochenende im Veneto verbringen können. Aber Oskar hatte momentan ohnehin eine Menge zu tun, und anders als bisher war mir nicht danach, alleine wegzufahren. Auch wenn mir der Gedanke an ein Menü mit Radicchio, Pilzen und venetischen Nudeln aller Art sofort das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
    Vielleicht hatte Vesna Zeit, mir mit dem Fleisch zu helfen? Und was war mit Grete? Immerhin war sie es gewesen, die mich in die Sache hineingezogen hatte.
    Vesna ging nach dem zweiten Läuten ans Mobiltelefon.
    »Arbeitest du noch, oder hast du Zeit?«
    »Bin ich noch bei Arbeit, muss ich aufpassen, ist verboten, Handy bei der Arbeit mitzuhaben. Noch eine Stunde, dann es geht. Was ist?«
    »Ich habe einen Kofferraum voll Fleisch. Kannst du Grete fragen, ob sie auch Zeit hat? Wir müssen das ganze Zeug für das Labor vorbereiten.«
    »Grete ist da. Ich gehe zu ihr. Wo bist du?«
    »Im Auto, vor der Ultrakauf-Filiale im 21. Bezirk.«
    »Fahrst du heim, oder holst du uns? Wie du möchtest, Mira Valensky.«
    »Ich warte auf euch im ›Espresso Evi‹.«
    Schön langsam begann ich mich an den Geruch von kaltem Rauch, alten Veloursmöbeln und Pissoir zu gewöhnen. Das Lokal war wie immer halb dunkel und so gut wie leer. Ich setzte mich in die übliche Nische, die Kellnerin begrüßte mich beinahe wie eine alte Freundin. Der Tee war grauenvoll gewesen, der Wein zumindest trinkbar. Obwohl der Raum überheizt war, zitterte ich. Mutig bestellte ich Glühwein. Guten Glühwein zu bekommen war beinahe so selten wie ein Lotto-Jackpot. Aber was soll’s. Warmer Alkohol konnte jedenfalls helfen, eine heraufziehende Verkühlung im Keim zu ersticken.
    Dass auch in anderen Filialen Mitarbeiterinnen aus der Fleischabteilung verschwunden waren, schien mir unwahrscheinlich. So etwas hätte sich mit Sicherheit herumgesprochen. Vielleicht wurden Fleischermeisterinnen anderswo einfach gekündigt und waren durch jemand ersetzt worden, der, ohne zu widersprechen, das tat, was die Geschäftsführung wollte? Bei Karin war mit Widerstand zu rechnen gewesen, bei vielen anderen wohl nur mit stiller Verzweiflung. Aber was wollte die Geschäftsführung? Im Ultrakauf in der Mayerlinggasse war das Fleisch laut Auskunft der Lebensmittelchemikerin von »überdurchschnittlicher Qualität« gewesen, und auch die Proben, die ich heute eingesammelt hatte, sahen appetitlich aus.
    Ich zählte die Wasser- und Bierringe auf den Resopaltischen. Es waren achtzehn, wenn man die einander überlappenden mitrechnete. Wie oft wurden hier die Tische gewischt? Einmal pro Woche? Der Glühwein ließ auf sich warten, Vesna würde frühestens in einer halben Stunde kommen. Ich kramte nach meiner Liste mit den Wiener Ultrakauf-Filialen. Da stand

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