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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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gestoßen waren.
    In seinem Rückspiegel wurde das Haus des Todes kleiner und
kleiner, als Lapslie hinter dem Wagen der Gerichtsmedizin herfuhr, über
kurvenreiche Landstraßen, bis sie auf die B101 kamen. Eine halbe Stunde
später erreichten sie die Autobahn, die sie zu Jane Catheralls
Leichenhalle bringen sollte. Der Leichenwagen fuhr
gemächlich – nicht so langsam wie bei einer
Beerdigungsprozession, doch er überschritt auch nicht das Tempolimit.
Es war, als erkenne der Fahrer an – wenn auch vielleicht kaum
bewusst –, dass der Tod sich nicht zur Eile antreiben ließ.
Oder vielleicht befürchtete er auch bloß, die Leichen könnten
auseinanderfallen, wenn er zu schnell über eine holprige Stelle fuhr.
    Lapslie hielt während der ganzen Fahrt mit dem Wagen Schritt.
Er hätte beschleunigen und ihn überholen können, dann hätte er eine
halbe Stunde vor ihm an der Leichenhalle sein können. Aber wozu? Und er
fand, wie vielleicht auch der Fahrer, dass die Leichen dort hinten in
dem Transporter einen gewissen Respekt verdienten. Und zumindest ein
Geleit.
    Schließlich fuhren sie durch Braintrees vertraute Straßen.
Lapslie bremste, als der Leichenwagen von der Straße in die
unauffällige geteerte Zufahrt abbog, die um die Rückseite der
Leichenhalle herumlief. Er selbst stellte seinem Wagen an der Stelle
ab, die er inzwischen als seinen gewohnten Parkplatz betrachtete. Bevor
er auf den Summer an der Tür drücken konnte, ließ sich sein Handy
vernehmen: Bruchs 1. Violinkonzert.
    »Lapslie?«
    »Mr. Lapslie! Nett, Ihre Stimme zu hören!«
    Er schmeckte Senf und Essig hinten auf der Zunge. »McGinley?
Ich dachte schon, Sie würden sich nie melden.« Er malte sich Dom
McGinley aus, wie er ihn zuletzt gesehen hatte: hingefläzt hinter einem
Tisch in der Kneipe, der Bauch unter dem Polohemd vorgewölbt, feixend,
mit einem Glas Guinness vor sich.
    »Sie haben mich um einen Gefallen gebeten, und als
Gegenleistung haben Sie mir einen Gefallen getan, bevor ich was sagen
konnte. Also schulde ich Ihnen einen, und ich mag es nicht, wenn ich
Leuten was schuldig bin. Ich begleiche meine Schulden möglichst so
schnell es geht.«
    »Sehr löblich«, erwiderte Lapslie. »Also, was haben Sie für
mich?«
    »Sie haben nach einem Mann namens Geherty gefragt, vom
Justizministerium.«
    »Stimmt.« Lapslie dachte wieder an den schwarzen Lexus, der in
dem Wald aufgetaucht war, wo man Violet Chambers' Leichnam gefunden
hatte, und dann wieder draußen vor der Polizeidienststelle. Er dachte
wieder an die beiden Männer, die aus Chief Superintendent Rouses Büro
gekommen waren, als er gerade hineinwollte. Sie hatten ihn flüchtig
angesehen, als ob sie ihn wiedererkannten. Und er dachte an die Art,
wie Jane Catheralls Büro gefilzt und Dateien aus ihrem Computer kopiert
worden waren. »Stimmt«, wiederholte er, »das habe ich getan, nicht
wahr? Was haben Sie denn gefunden?«
    »Hab ein paar Fühler ausgestreckt und ein paar Freunde
gefragt, die fürs Justizministerium arbeiten, wer er ist. War gar nicht
leicht – der Bursche hält sich bedeckt, aber schließlich hab
ich doch Glück gehabt. Er ist stellvertretender Direktor vom PRU.«
    »Das wusste ich. Was haben Sie noch?«
    »PRU heißt Prisoner Rehabilitation Unit. Das ist 'ne
Abteilung, die sich um Langzeithäftlinge in den Gefängnissen Ihrer
Majestät kümmert, die – aus welchen Gründen auch
immer – sorgfältig wieder in die menschliche Gesellschaft
eingegliedert werden müssen, wenn sie entlassen werden.«
    »Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Wundert mich nicht. Ist auch ein exklusiver Verein. Die
machen keine Reklame für sich. Myra Hindley hat zu ihrem Klientel
gehört, bevor sie an einer Atemwegsinfektion gestorben ist. Anscheinend
haben sie sie gerade auf die Entlassung vorbereitet, als sie starb,
trotz all der Revisionsverfahren, die sie verloren hatte. Ian Huntley
haben sie auch auf der Liste – den Kerl, der diese beiden
Mädchen in Soham gekillt hat. Und Ian Brady und Rosemary West. All die
Sträflinge, die dauernd in der Presse erwähnt werden, haben sie in der
Mache. Aufgabe vom PRU ist es, dafür zu sorgen, dass die, wenn sie
schließlich entlassen werden, sich wieder in die Gesellschaft
integrieren können, ohne dass zehn Minuten nachdem sie draußen sind,
die Sun oder der Mirror auf
ihrer Türschwelle kampieren.«
    »Na wunderbar«, sagte Lapslie. »Ich frage mich ja, ob wohl
jemand mit dem Entschluss von der Schule abgeht: ›Ich weiß genau, was
ich

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