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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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Letzte, was er wollte, war Small Talk, wenn er zu etwas
unterwegs war, von dem er argwöhnte, dass es seine Exekution sein
könnte.
    Insgeheim hätte er lieber auf den Knopf zum Erdgeschoss
gedrückt, wäre aus dem Lift getreten, durch die Sicherheitstür
geschritten, die auf den Parkplatz führte, wäre einfach weitergegangen,
um all dies hinter sich zu lassen. Aber das konnte er nicht tun. Er
wollte wissen, was los war. Wie Emma gesagt hatte, er gab niemals auf.
    Rouses Sekretärin sagte ihm, er könnte gleich hineingehen,
doch sein Blick war fest auf den Mann geheftet, der an Rouses
Schreibtisch stand. Allein. Der DCS glänzte durch Abwesenheit.
    »Detective Chief Inspector Lapslie?«, fragte der Mann. »Bitte
kommen Sie herein.« Seine Stimme war wie aufgewühlte Erde, oder wie
schimmelndes Laub. Er trug immer noch diesen schwarzen Anzug mit den
feinen Nadelstreifen. Sein Haar war sandfarben, glatt aus der Stirn
gebürstet, und die Glatze, die sich bereits zeigte, war mit kleinen
Sommersprossen übersät.
    Lapslie beugte sich zu der Sekretärin hinunter. »Gibt es einen
Schlüssel zu diesem Büro?«, fragte er. »Wir müssen eventuell heikles
Material auf dem Schreibtisch zurücklassen und für eine Weile
verschwinden.«
    »Ah – ja«, sagte sie, langte in eine Schublade und
förderte einen Sicherheitsschlüssel zutage. Unsicher reichte sie ihn
ihm hin.
    »Danke.« Er nahm den Schlüssel. »Ich bringe ihn später zurück.
Versprochen.« Dann wandte er sich dem Büro zu und sagte: »Mr. Geherty
vom Justizministerium, Abteilung Sträflingsrehabilitation, nehme ich
an?«
    Geherty besaß den Anstand, ein wenig verblüfft dreinzublicken.
»Ah, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«
    »Ich mag es nicht, wenn man mir nachspioniert. Und ich mag
keine Diebe.«
    »Wir haben Ihnen nicht nachspioniert, Mr. Lapslie, wir haben
Ihre Ermittlungen verfolgt. Ist uns allen eine echte Lektion gewesen.
Schade eigentlich, dass sie jetzt zu Ende sind.«
    »Sie sind zu Ende, wenn wir die Mörderin gefasst haben«,
entgegnete Lapslie.
    »Sie sind zu Ende, wenn unser Minister sagt, dass Schluss
ist«, erwiderte Geherty. »Und übrigens, wir sind keine Diebe.«
    »Sie sind in Doktor Catheralls Institut eingebrochen und haben
Dateien aus ihrem Computer entfernt.«
    »Wir sind Staatsbeamte, und die Leichenhalle untersteht der
Zivilbehörde. Gibt's damit ein Problem? Und ich glaube, Sie werden
feststellen, dass in Doktor Catheralls Computer keinerlei
Informationsmaterial fehlt. Wir haben es lediglich kopiert und sind
dann gegangen. Wir wollen bloß über Ihre Fortschritte unterrichtet
sein.«
    »Ich bin beeindruckt. Ihre Abteilung beschäftigt sich damit,
Serienmörder und andere unerwünschte Personen wieder in die
Gesellschaft zu integrieren, wenn sie ihre Strafe abgesessen haben.
Heißt das, die Mörderin dieser Frauen ist eine davon? Haben Sie ihr
eine neue Identität und eine neue Wohnung verschafft, bloß um dann
festzustellen, dass sie in ihre alten Gewohnheiten zurückgefallen ist?«
    »Alte Gewohnheiten sind hartnäckig, und man kann einem Hund
keine neuen Tricks beibringen. Alles Klischees, aber ein Körnchen
Wahrheit steckt drin.« Geherty zuckte die Achseln. »Diese Leute
verbringen den Großteil ihres Lebens im Gefängnis, aber wenn ihre Zeit
um ist, müssen sie resozialisiert werden. Und darauf bereiten wir sie
vor. Wir bringen ihnen bei, in einer Welt zu überleben, die sich
weiterentwickelt hat während der zehn, zwanzig oder dreißig Jahre, die
vergangen sind, seit sie eingesperrt wurden. Wir besorgen ihnen eine
Unterkunft, wir verschaffen ihnen Jobs als Kellner, im Reisebüro oder
am Parfümerietresen im Kaufhaus. Und wir kontrollieren sie, versuchen,
herauszufinden, ob sie sich tatsächlich verändert haben oder ob noch
immer ein Keim des Bösen in ihnen steckt. Manchmal geht das gut, und
manchmal geht es schief. So läuft das nun mal. Wenn es schiefgeht,
müssen wir den Schlamassel beseitigen.«
    »Ein Keim des Bösen«, meinte Lapslie. »Sie geben also nicht
der Gesellschaft die Schuld, oder ihrer Erziehung?«
    Geherty schüttelte den Kopf. »Oh, ich habe Männern in die
Augen gesehen, die mehr Leute umgebracht haben, als ich je
kennengelernt habe. Ich habe Frauen in die Augen gesehen, die ihren
Opfern mit dem Hammer Zimmermannsnägel in den Schädel getrieben haben.
Ich habe Böses gesehen, Mr. Lapslie. Die Gesellschaft ist nicht
schuldlos, und ebenso wenig die Erziehung, aber letztendlich sind das
nur Katalysatoren.

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