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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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hinunter.
    Vielleicht würde ihre Großmutter gern etwas trinken,
dachte sie.
    Der Tag wurde zur Nacht, und Träume jagten
hintereinander her wie Tiefseefische, die im Vorüberschwimmen das
Sediment des Meeresbodens aufwirbelten. Doch als die Nacht
voranschritt, setzte sich das Sediment wieder, und die Fische
versteckten sich zwischen Felsgestein und Seegras. Und als die Sonne
aufging und zudringliche Finger durch die Ritze zwischen den Vorhängen
steckte, hatte Daisy Wilson vergessen, wer sie gewesen war, und wusste
nur noch, wer sie jetzt war.
    Eunice brachte ihr eine Tasse Tee, während sie noch im Bett
lag.
    »Wie fühlen Sie sich?«, erkundigte sie sich.
    »Ich bin schlapp wie nur was. Was ist denn passiert?«
    »Sie hatten eine Art Kollaps. Ich glaube, es muss die Strapaze
der Wanderung zur Kirche gewesen sein; und dann die Sonne. Sie haben
sich überanstrengt. Sie Arme.«
    »Sie haben wahrscheinlich recht.« Daisy versuchte sich zu
erinnern, was am Vortag geschehen war, doch schon der Versuch machte
sie nervös.
    »Schaffen Sie ein bisschen Frühstück?«, fragte Eunice.
    »Gib der Erkältung zu essen und lass das Fieber hungern«,
zitierte Daisy. »Vielleicht eine Tasse Tee und eine Scheibe trockenen
Toast. Es tut mir leid, dass ich Ihnen so eine Last bin.«
    »Überhaupt nicht«, wehrte Eunice ab, als sie zur Tür ging. »Es
ist schön, jemanden hier zu haben. Ich fühlte mich tatsächlich einsam.«
Sie blieb stehen und blickte zurück. »Ich lasse das Center heute
geschlossen. Ich finde, Sie brauchen Ruhe.«
    »Unsinn«, widersprach Daisy. »Gott mildert den Wind dem
geschorenen Lamm. Bestimmt wird heute ein ruhiger Tag, und ein bisschen
Herumwerkeln gibt mir Zeit zum Gesundwerden.« Sie schwieg eine Weile.
»Vielleicht könnte ich heute Morgen erst noch ein bisschen hier liegen
bleiben und später zu Ihnen in die Scheune rüberkommen. Ich fühle mich
immer noch ein bisschen wackelig.«
    Nach dem Frühstück öffnete Eunice das Kunst- und
Antiquitäten-Center, und als Daisy sich vergewissert hatte, dass Eunice
nicht mehr im Wege war, vertrieb sie sich die Zeit mit einer
Bestandsaufnahme der Gegenstände in Eunices Schlafzimmer und im
Gästezimmer. Sie hatte längst den Verdacht, dass Eunice eine
Tagebuchschreiberin war – ihrer Erfahrung nach führten alle
künstlerischen Menschen ein Tagebuch –, und sie fand es
innerhalb von Minuten in einer Schublade des Nachtschrankes. Fand sie, genauer gesagt, denn es gab zahlreiche Bände, die Jahre
zurückreichten. Sie blätterte den jüngsten Band durch und stellte fest,
dass dies alles war, was sie brauchte, außer den Finanzunterlagen in
der Scheune. Alles, was Eunice dachte, glaubte oder erlebte, stand
darin. Jede Erinnerung war zwischen den Seiten des Buches konserviert
wie eine gepresste Blume. Jetzt brauchte sie keine Zeit mehr damit zu
verschwenden, Informationen aus Eunice herauszuquetschen –
hier hatte sie alles. Eunice war für sie einsehbar geworden, in jeder
Hinsicht.
    Was bedeutete, dass es wirklich keinen Grund gab, Eunice noch
länger am Leben zu lassen.
    Entschlossen machte Daisy sich auf den Weg und ging von
Eunices Haus – bald würde es ihr Haus sein – zur
Scheune gleich neben dem Gartenpfad, die das Kunst- und
Antiquitäten-Center beherbergte. Ihr war noch ein wenig schwindlig,
aber sie hatte etwas zu erledigen, und es hatte keinen Sinn, im Bett
herumzutrödeln. Sie musste die Dosis geriebener Aprikosenkerne, die sie
in Jaspers Futter tat, erhöhen und sehen, wie lange es dauerte, bis er
starb. Auf diese Weise konnte sie die genaue Dosis errechnen, die nötig
war, um Eunice zu töten.
    Jasper starb drei Tage später.
    Er hatte während der zwei Tage, an denen Daisy die Dosis
geriebener Aprikosenkerne, die sie über sein Futter streute, mehr und
mehr erhöht hatte, an Atemnot und Zuckungen gelitten. Am Morgen des
dritten Tages lag er in seinem Korb hinten in der Scheune und wollte
oder konnte die Hinterbeine nicht bewegen.
    »Armer Schatz«, murmelte Eunice und beugte sich zu ihm herab,
um seinen Kopf zu streicheln. »Armer, armer Schatz. Wir rufen den
Tierarzt. Ja, das machen wir.«
    »Lassen Sie mich das machen«, sagte Daisy. Sie ging ans
Telefon und machte viel Aufhebens, als sie mit einer Hand die Tasten
drückte, während ihre andere unter dem Telefon das Kabel herauszog.
»Hallo?«, sagte sie in die tote Leitung. »Ist das die Tierarztpraxis
Tendring? Ich brauche einen dringenden Termin für einen Hund mit
Atemproblemen.« Sie

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