Kaltes Gift
herausfordernd auf der Marmorfläche stand,
machte ihr Angst, doch sie musste mit ihr fertig werden. Sie fürchtete
nämlich, dass die geriebenen Aprikosenkerne einen bitteren Geschmack
hatten, und den musste sie irgendwie kaschieren. Starker Kaffee schien
eine gute Idee zu sein.
Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, trat an das Gerät heran
und zog versuchsweise den Glaskrug von der runden metallenen
Heizplatte. Es ging überraschend leicht.
Mutig geworden, erkundete Daisy das trichterartige Gebilde
über dem Platz für den Glaskrug. Oben daran war ein Deckel, der nach
dem Aufklappen eine Öffnung freigab, wo vermutlich das Wasser
hineinkam. Darunter war ein bauchiges Ding, das herausschnellte, als
Daisy an einem Griff zog, und einen Plastikfilter zutage förderte, noch
feucht vom letzten Abspülen. Also – Wasser oben hinein,
Kaffeepulver in den Filter und den Glaskrug unten drunter.
Kühn geworden, nachdem sie herausgefunden hatte, wie die
Kaffeemaschine funktionierte, füllte Daisy den Glaskrug mit Wasser und
goss es oben in die Maschine. Dann öffnete sie ein paar Schranktüren
und fand bald eine Porzellandose mit einem Korkdeckel, in der
Kaffeepulver und ein Plastiklöffel waren. Ehe sie den Kaffee in den
Filter füllte, langte sie in ihre Handtasche und holte eine Plastikdose
heraus, die sie mitgebracht hatte. Ein Löffel Kaffee, dann ein Löffel
gemahlener Aprikosenkerne, dann wieder ein Löffel Kaffee, dann ein
Löffel gemahlener Aprikosenkerne. Der Filter war halbvoll, und da Daisy
unsicher war, wie viel Pulver für einen starken Kaffee nötig war, tat
sie auf gut Glück noch einen Löffel von beidem hinzu. Dann drückte sie
die Filterhalterung in die Maschine zurück und suchte ein wenig herum,
bevor sie den Knopf am Sockel der Maschine fand. Als sie ihn drückte,
leuchtete er bernsteinfarben auf. Augenblicke später hörte sie das
Zischen von Dampf irgendwo aus dem Inneren, und dann ein beruhigendes Plopp-plopp-plopp . Kaffee tröpfelte in dünnem Rinnsal in den Glaskrug. Kaffee
und noch etwas anderes.
Die Küche füllte sich mit dem reichen, würzigen Aroma frischen
Kaffees, untermischt mit einem anderen – trockener und
bitterer. Daisy schnupperte, dann trat sie hastig zurück. Sie hatte
nicht daran gedacht, aber was, wenn nun die Ausdünstungen der
Aprikosenkerne gefährlich waren? Das wäre die ultimative
Ironie – durch ihr eigenes Gift getötet zu werden!
Daisy blieb zehn Minuten im vorderen Zimmer, bis das Geräusch
der Kaffeemaschine verstummt war. Als sie sicher war, dass nichts mehr
aus der Maschine herauskam, ging sie in die Küche zurück, hielt dabei
die ganze Zeit die Luft an, und öffnete das Fenster hinter dem Ausguss.
Ein paar Minuten würden sämtliche Dünste gründlich wegblasen.
Daisy nahm den Krug von der Heizplatte, wobei sich ein letztes
Kaffeerinnsal aus dem Filter darüber löste. Es fiel auf die heiße
Platte, zischte dort einen Moment, während es verschmorte, und
hinterließ eine schwache, getrocknete Schliere.
Ein öliger Film bedeckte die Oberfläche des Kaffees und
reflektierte das Sonnenlicht vom Küchenfenster her in trüben
Regenbogenfarben. Daisy schwenkte den Krug sacht und hoffte, es
unterzumischen, aber das Öl kreiste lediglich, wie etwas Lebendiges.
Daisy goss einen Becher Kaffee für Eunice ein –
lieber einen Becher statt einer Tasse, denn sie wollte, dass die Dosis
so hoch wie möglich war. Sie überlegte, ob sie Milch hinzugeben sollte,
aber sie wollte das Gift nicht weiter verdünnen. Eunice nahm ihren
Kaffee immer mal so und mal so; manchmal mit Milch, manchmal ohne, je
nachdem, wie sie sich fühlte. Aber immer mit Zucker, also rührte Daisy
behutsam zwei große Löffel davon in das Getränk.
Sie stellte den Becher auf ein Tablett und wollte es gerade
hinauftragen, da fiel es ihr ein: Kekse! Wenn Eunice zu ihrem Kaffee
ein paar Kekse aß, würde das vielleicht einen möglichen Nachgeschmack
der Aprikosenkerne überdecken.
Als sie ins Schlafzimmer kam, saß Eunice aufrecht im Bett. Sie
sah ein wenig munterer aus als zuvor.
»Sie sind ein Schatz«, sagte sie zu Daisy. »Ich weiß wirklich
nicht, was ich ohne Sie machen sollte. Jetzt, wo der arme Jasper nicht
mehr ist, weiß ich gar nicht, wie ich weiterleben soll. Er hat mir die
Kraft gegeben, weiterzumachen.«
»Überlassen Sie alles mir«, erwiderte Daisy. »Lassen Sie mich
Ihre Kraft sein. So, jetzt trinken Sie Ihren Kaffee, und dann schlafen
Sie noch ein bisschen. Ich schaue dann später
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