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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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wohl
gewundert, weshalb ich so aussehe. Die Antwort ist Polio. Habe ich mir
als Kind eingefangen. Wahrscheinlich war ich eins der letzten Kinder in
England, die sich angesteckt haben.«
    »Das … tut mir leid.« Er wusste nicht recht, was für
eine Antwort sie von ihm erwartete.
    »Sechs Monate flach ausgestreckt in einem Krankenhausbett und
mehrere Operationen, um meine Wirbelsäule zu verblocken. Es hätte
schlimmer sein können. Natürlich, wenn ich ein oder zwei Jahre später
geboren wäre, dann hätte es auch sehr viel besser sein können. Das sind
halt die Ungewissheiten des Lebens.« Sie streckte eine Hand aus. »Wir
haben uns noch nicht bekannt gemacht. Doktor Jane Catherall. Freut
mich, Sie kennenzulernen.«
    Mit ruckartigen Schritten trat sie auf Lapslie zu und reichte
ihm die Hand. Er schüttelte sie und bemerkte dabei, dass die
Umschlagmanschetten ihrer Bluse mit feinen Goldkettchen
zusammengehalten wurden. Eine Frau, die auf ihre Erscheinung achtete.
»DCI Lapslie«, sagte er.
    »Ich habe Sie schon erwartet. Ihre Kollegin ist bereits hier.«
Sie behielt seine Hand in der ihren, und Lapslie hatte den absurden
Eindruck, sie erwarte, dass er sich verbeugte und sie küsste. »Ich
möchte nicht, dass Sie denken, ich begrüße jeden mit meiner
unglücklichen Krankengeschichte«, fügte sie hinzu. »Ich wollte nur
klarstellen, dass unsere Körper das fortlaufende Register all dessen
sind, was uns zustößt. Gebrochene Knochen, Leiden und
Krankheiten … alles da, konserviert in Fleisch und Blut. Und
wenn alles, womit wir arbeiten können, der Körper ist, dann können wir
uns rückwärtstasten und aus dem Register dessen, was ihm passiert ist,
die Person wieder erstehen lassen.«
    »Vielen Dank für die Vorlesung.« Er spürte förmlich, wie ihr
Charme ihn umgarnte, doch das würde er nicht zulassen. »Wir hatten
gestern keine Gelegenheit, uns zu unterhalten«, sagte er knapp. »Ich
war zu sehr damit beschäftigt, die Presseleute abzufertigen, die da
plötzlich auftauchten, um mich Ihnen zu widmen, als Sie endlich
aufgekreuzt sind.«
    Dr. Catherall wandte den Blick ab. »Ich entschuldige mich für
meine Verspätung. Leider ist eine Begleiterscheinung der Polio die
Schwächung der Rippenmuskulatur. Ich muss beim Schlafen eine Atemmaske
tragen, die mit einem Beatmungsgerät verbunden ist. Das sorgt für einen
gleichbleibenden Druck, um sicherzustellen, dass ich regelmäßig atme,
aber es führt zu einem sehr gestörten Nachtschlaf, und es fällt mir
schwer, morgens wach zu werden. Ich habe die ersten vier Anrufe auf
meinem Handy verpasst.«
    »Dann kaufen Sie sich ein lauteres Handy«, versetzte Lapslie
unfreundlich.
    Dr. Catherall blickte mit diesen beunruhigend milden Augen zu
ihm auf. »Das Opfer hat dort bereits viele Monate gelegen«, sagte sie,
»und zwei Stunden mehr konnten den relevanten Spuren an der Leiche
nichts anhaben. Und diese zwei Stunden stellen sicher, dass ich nicht
aus Schlafmangel irgendwelche Fehler gemacht habe. Lassen Sie mich
meinen Job machen, Detective Chief Inspector, und ich liefere Ihnen
alles, was Sie brauchen, um Ihren zu machen.«
    Das lange Schweigen, das sich zwischen ihnen breitmachte,
wurde durch die sich öffnende Tür der Leichenhalle unterbrochen, als
Emma Bradbury den Raum betrat.
    »Boss«, grüßte sie.
    »Sergeant. Sind Sie schon lange hier?«
    »So etwa 'ne halbe Stunde. Dr. Catherall hat mir erlaubt, ihr
Büro zu benutzen, um ein paar Telefonate zu erledigen.«
    Lapslie nickte. »Also gut. Machen wir weiter?«
    Dr. Catherall führte Lapslie und Emma an den ersten Tisch und
deutete auf die verhüllte Leiche. »Ihr Unfallopfer«, sagte sie. »Ich
habe mir die Freiheit genommen, die Autopsie heute Morgen
durchzuführen, bevor Sie gekommen sind.« Sie warf Lapslie einen
Seitenblick zu. »Soviel ich weiß, war er das Opfer eines Autounfalls,
nicht eines vermuteten Mordes. Ich dachte mir, Sie würden wohl nicht
gern danebenstehen und warten, während ich in seinen Eingeweiden
herumwühle.«
    »Sehr richtig. Gab es irgendwas Ungewöhnliches bei der Leiche?«
    »Nichts, was mir Kopfzerbrechen gemacht hat. Quetschungen und
Hautabschürfungen, verursacht durch den Aufprall, Brandwunden durch den
Airbag und eine massive Verletzung am Hals, die die Schlagader
durchtrennte. Stimmt alles mit dem überein, was vor Ort festgestellt
wurde. Natürlich habe ich Blutproben ins Labor geschickt. Vielleicht
finden wir Spuren von Alkohol oder Drogen. Zufrieden?«
    »Begeistert. Was ist

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