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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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anderen Ende der Leitung entstand eine Pause, das hörbare
Äquivalent eines Achselzuckens. »Ich weiß auch nicht so genau«, sagte
Rouse schließlich. Lapslie spürte, wie seine Zunge ein wenig kribbelte,
als hätte er sie in etwas leicht Pikantes getaucht, doch er wusste
nicht, was das bedeutete. »Vermutlich weist irgendetwas bei dem Fall
auf frühere Ermittlungen hin, mit denen Sie zu tun hatten. Ein
unaufgeklärter Mordfall oder so was.«
    »Ich kann nicht behaupten, dass ich ein Glöcklein läuten höre.«
    »Vielleicht auch bloß eine technische Panne. Computer sind
heutzutage der Fluch im Leben eines Polizisten.«
    Wiederum eine Pause, aber diesmal hatte Lapslie den Eindruck,
als warte Superintendent Rouse darauf, dass er seinen Kommentar abgab.
»Ich war der Meinung, ich sei krankheitshalber auf unbestimmte Zeit
beurlaubt«, sagte er schließlich. »Sie wissen, dass meine Synästhesie
es mir schwermacht, im Umfeld eines Büros zu arbeiten.«
    »Ich weiß, darüber haben wir ja gesprochen, Mark, aber Sie
werden verstehen, wir können Sie nicht ewig beurlauben. Wir haben uns
nach irgendwelchen Jobs umgesehen, die Sie machen können, ohne in einem
Büro zu arbeiten, aber das ist nicht so einfach. Ich weiß, Sie haben
mehrere Berichte für den Polizeipräsidenten geschrieben, aber wir
kriegen Druck vom Innenministerium, so viele Leute wieder in die Arbeit
Zurückzuholen, wie wir kriegen können. Als also Ihr Name aufgetaucht
ist, als jemand, der womöglich zu diesem Fall etwas beisteuern könnte,
na ja, da hab ich das als ein Zeichen aufgefasst. Als Zeichen dafür,
dass es an der Zeit wäre, dass Sie zurückkommen. Ich habe hier in
Chelmsford einen Schreibtisch für Sie bereitstellen lassen, und Sie
haben Zutritt zu einem Ruheraum, wenn Sie es nötig haben. Wir lassen
uns was für Sie einfallen, wenn dieser Fall erst mal ausgestanden ist.«
    »Und bis dahin leite ich die Ermittlungen?«
    »Richtig.«
    »Als DCI? Ist das nicht ein bisschen übertrieben?«
    »Betrachten Sie es als Möglichkeit, sich allmählich wieder ins
Geschirr zu legen.«
    »War nett, mit Ihnen zu reden, Sir.«
    »Schauen Sie mal rein, wenn Sie im Büro sind. Auf ein
Schwätzchen.«
    Lapslie schob das Handy in die Tasche zurück und atmete tief
durch. Es sah so aus, als sei er wieder im Dienst. Nicht gänzlich
unerwartet – er hatte darauf gewartet, dass so etwas
passierte –, aber auch nicht gänzlich willkommen.
    Seufzend trat er wieder in die Leichenhalle.
    Auf dem Stahltisch lagen die Objekte ausgebreitet, die Dr.
Catherall aus dem Bauch der Toten gezogen hatte: vier ausgedörrte
Kadaver, entweder von Feld- oder von Wühlmäusen, dazu zwei Ratten und
etwas Größeres, das Lapslie für einen Iltis oder ein Frettchen oder
sonst was in der Art hielt. Die kleineren Tiere kamen Lapslie vor wie
gebündelte Streichholzknochen, umhüllt von zerdrücktem Fell.
    »Anscheinend suchen wir nach einem Serienmörder, Sir«,
bemerkte DS Bradbury trocken.
    Catherall bedachte sie mit einem kühlen Blick. »Diese Tiere
haben es geschafft, sich durch Löcher in der Folie an den Leichnam der
alten Frau heranzumachen«, erklärte sie. »Ich habe sie alle im
Bauchbereich gefunden, wo sie sich allmählich hineingefressen haben.
Aber sie sind alle verendet, bevor sie viel Schaden anrichten konnten.«
    »Wie verendet?«, fragte Lapslie.
    »Das«, erwiderte Dr. Catherall, »werden wir zu gegebener Zeit
feststellen. Zunächst muss ich diese Autopsie beenden. Das ist etwas,
worauf man nicht später zurückkommen kann.«
    Sie arbeitete in strikt logischer Abfolge, begann bei der
Schädeldecke des Leichnams und endete bei den Fußsohlen. Während der
Prozedur klaffte der Kadaver weit offen, und Dr. Catherall steckte bis
zu den Handgelenken in den verdorrten Innereien, um festzustellen, was
von den Organen darin noch übrig war. Doch als sie fertig war, befand
sich die Leiche nahezu in demselben Zustand wie vor der Autopsie, wenn
auch durch einen langen, Y-förmigen Schnitt verunziert, mit dickem
schwarzen Faden vernäht, der sich von der Leiste bis zur Brust zog und
sich dann oberhalb der Hautsäcke der Brüste teilte und bis zu beiden
Schultern verlief.
    Als Dr. Catherall mit dem Leichnam fertig war, fand Lapslie,
dass sie kleiner aussah – ausgelaugt durch die Prozedur. Für
ihn hatte es den Anschein, als stecke in dem zerbrechlichen Körper
dieser Frau nicht allzu viel an Durchhaltevermögen.
    »Was können Sie mir über sie erzählen?«, fragte

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