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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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mit der anderen?«
    Schwungvoll zog sie das weiße Tuch von der formlosen,
sperrigen Gestalt auf dem zweiten Tisch. »Et voilà !«
    Die Leiche auf dem Waldboden zu sehen, etwas Natürliches,
eingebettet in andere natürliche Dinge, war ihm fast normal
vorgekommen. Sie hier zu sehen, nackt auf hartem Metall ausgestreckt,
umgeben von der Plastikplane, die man mit ihr ausgegraben hatte, und
das alles schmutzverkrustet, dabei überkam Lapslie ein Gefühl der
Unrechtmäßigkeit. Kein Mensch verdient es, so zu enden. Eine gewisse
Würde sollte der Tod doch haben.
    Was von ihr übrig war, war grau gesprenkelt und trocken. Ihre
Hüften und Schultern bildeten Zelte unter der Haut, ihr Bauch war
weggefault, vielleicht auch weggefressen, und ließ den knotigen Umriss
ihrer Wirbelsäule erkennen. Ihr Gesicht wurde von der weit
aufgerissenen Grimasse des Mundes beherrscht, wo die Haut
zurückgewichen war und schwarzes Zahnfleisch freigab.
    Umrahmt von der Plastikfolie wirkte sie kleiner als auf dem
Waldboden.
    »Also«, sagte Dr. Catherall ruhig, während ihr Assistent ein
Gestell mit einem Tablett voll chirurgischer Instrumente neben sie
rollte, »fangen wir ohne weitere Umstände an.«
    Während der nächsten Stunde sahen Lapslie und DS Bradbury vom
Spielfeldrand aus zu, wie Dr. Catherall äußerst sorgfältig die
Plastikplane löste und sich mit dem Skalpell ihren Weg durch den
Leichnam der alten Frau bahnte, wie sie Proben entnahm und dabei ruhig
in ein kleines Diktiergerät sprach, während ihr Assistent gelegentlich
Fotos machte. Ihre Arbeitsweise war akribisch und umsichtig, doch ihr
Verhalten war eher das einer Frau, die ein schwieriges Kreuzworträtsel
löst, als das einer Medizinexpertin, die eine Leiche zerstückelte.
    Lapslie merkte, wie er beim Zusehen in einen fast hypnotischen
Trancezustand verfiel, gebannt von Dr. Catheralls müheloser Technik.
Angesichts ihrer Gestalt und ihrer Krankengeschichte hatte er
angenommen, ihre Hände würden unbeholfen sein, doch ihre Bewegungen
waren auf beinahe minimalistische Weise präzise. Jede Geste war genau
das, was nötig war, nicht mehr, nicht weniger.
    Emma Bradbury dagegen zappelte unaufhörlich herum. Nach ein
paar Minuten fand sie einen Laborstuhl und hockte sich darauf, doch sie
kam nicht zur Ruhe. Dauernd veränderte sie ihre Position, kratzte sich
am Kopf, zog sich am Ohr oder suchte in ihren Taschen nach etwas, das
sie anscheinend niemals fand. Sie war sichtlich gelangweilt und wusste
das nicht sonderlich gut zu verbergen.
    Nach gut zwanzig Minuten war Dr. Catherall bis zur letzten
Lage der Plastikumhüllung vorgedrungen, und plötzlich stutzte sie.
    »Großer Gott«, murmelte sie. Sie beugte sich vor, um etwas
innerhalb der Folie zu begutachten. »Großer Gott«, sagte sie noch
einmal und winkte ihrem Assistenten, näher heranzukommen. Er begann
Fotos zu machen, während Dr. Catherall vorsichtig mehrere Objekte
zwischen Plastikfolie und Leichnam hervorholte und sie zum dritten
Obduktionstisch hinübertrug.
    »Vielleicht wollen Sie sich das hier mal ansehen«, wandte sie
sich an Lapslie. Er wollte neben sie treten, doch noch ehe er den Tisch
erreichte, klingelte sein Handy. Dr. Catherall warf ihm einen finsteren
Blick zu.
    »DCI Lapslie«, meldete er sich.
    »Lapslie?« Die Stimme klang bekannt: trocken, wie gemähtes
Gras, ein wenig blechern, was wahrscheinlich hieß, dass er das Gespräch
auf Lautsprecher geschaltet hatte. »Alan Rouse. Sie haben gestern
angerufen.«
    Dr. Catherall deutete abrupt zur Tür.
    »Verzeihung, Sir – können Sie einen Moment
dranbleiben. Ich bin hier mitten in einer Autopsie.« Er eilte zur Tür
und in den Korridor. »So ist es besser«, sagte er, als die Tür hinter
ihm zufiel. »Sir – es ist lange her.«
    »Viel zu lange.« Lapslie sah förmlich, wie Rouse sich in
seinem weißen, von Fenstern gesäumten Büro im Sessel zurücklehnte. »Wie
geht es Sonia?«
    Ein Stich unerwarteten Schmerzes, ein eisiges Messer in seinem
Herzen. Lapslie stockte der Atem in der Kehle. »Sie … ja, gut.«
    »Und die Kinder?«
    »Auch gut. Danke der Nachfrage.«
    »Und was ist mit Ihrem … äh, medizinischen Befund?«
    »Unverändert. Deshalb war ich auch so verblüfft, als ich einen
Anruf von einer jungen Polizistin bekam, die einen Autounfall
untersucht.«
    »Ach ja. Die hat mich angerufen, als Ihr Name im Computer
auftauchte.«
    »Das ist eines der Dinge, die ich Sie fragen wollte. Wieso ist
mein Name überhaupt im Computer aufgetaucht?«
    Am

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