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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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Daisys verstorbenem Ehemann erworben, verschafften
Daisy Kapitaleinlagen bei Gesellschaften, die jedoch, nach ihren Namen
zu urteilen (Amalgamated Nickel Engineering, Imperial Celluloid), wohl
schon vor Jahren Konkurs gemacht hatten. Dennoch legte sie sie zur
Seite. Man konnte nie wissen. Es war immerhin möglich, dass
Amalgated-Engineering seinen Namen in British Steel geändert hatte und
die Aktien jetzt Millionen wert waren.
    Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und sah nachdenklich aus
dem Fenster. Von hier aus konnte sie die ganze Länge des Gartens
überblicken. Ungepflegt, verwildert, aber im Grunde ganz attraktiv.
Später könnte sie sich vielleicht ein bisschen Zeit nehmen, um mit
ihrer Gartenschere die Büsche zurückzuschneiden.
    Vielleicht auch an den Rändern ein paar hübsche Blumen
pflanzen. Und da sie schon mal dabei war – sie konnte ja auch
Leute kommen und dem Haus einen echten Frühjahrsputz verpassen lassen.
Die Tapeten, die Anstriche waren altmodisch, das war mal sicher, und
der Küche täte es gut, das 21. Jahrhundert Einzug halten zu lassen, in
Form eines neuen Herdes, eines Kühlschranks, neuer Schränke und
Arbeitsplatten. Doch das wäre ein Riesenaufwand, der sorgfältiger
Planung bedurfte. Und vielleicht war es ja auch gar nicht notwendig.
    Als sie ihre Hausdurchsuchung beendet hatte – und
plötzlich fiel ihr ein, dass sie auch einen raschen Blick in den
Dachboden werfen sollte, bloß um absolut sicher zu sein, dass sie nicht
irgendwas übersehen hatte –, beschloss Violet, einen
Spaziergang zur High Street hinunter zu machen. Dort würde sie sich in
einem der Kaufhäuser eine Tasse Tee, eine Fleischpastete und ein paar
junge Kartoffeln leisten, und dann würde sie gemächlich bei diversen
Häusermaklern die Runde machen. Was sie brauchte, war einer, der ein
bisschen auf den Hund gekommen war, einer, der eher auf Vermietungen
und Untervermietungen spezialisiert war als auf effektive Verkäufe.
Und – obwohl das womöglich eine genaue Beobachtung von einem
Cafétisch aus erforderte – einen, der mehr mit dem zu tun
hatte, was Violet insgeheim das untere Ende des sozialen Spektrums
nannte. Immigranten. Studenten vielleicht. Wenn die Miete niedrig genug
angesetzt war – und Violet war nicht knauserig, beileibe
nicht –, dann würden die Mieter sich bestimmt nicht an einer
altmodischen Küche oder an verblassten Tapeten stören. Wahrscheinlich
war es immer noch besser als das, was sie gewohnt waren.
    Am besten wäre es, wenn die Makler sich um alles kümmerten,
die Mieter auswählten, die Miete kassierten und sie dorthin überwiesen,
wo sie sie haben wollte; natürlich, nachdem sie ihren Anteil abgezogen
hatten. Diesen Anteil missgönnte sie ihnen nicht, wenn man bedachte,
welche Last sie ihr von den Schultern nahmen.
    Rauchfetzen zogen am Fenster vorbei. Da unten auf der
Waschbeton-Terrasse verbrannten Daisys Kleider zu Asche. Violet
benutzte das Wort ›Beweisstücke‹ nicht gern – das klang so
harsch –, doch sie fand den Gedanken tröstlich, dass sich die
Ereignisse des vergangenen Tages bald in Luft aufgelöst haben würden.
    Und bald, nachdem im Haus alles aussortiert war und alle
Wertgegenstände zu Geld gemacht worden waren, würde Violet genau
dasselbe tun.
    Der dahintreibende Rauch lenkte Daisys Blick zum Himmel: ein
tiefes Azurblau, das schier nicht vergehen wollte. Sie wünschte sich,
sie würde, wenn sie den Blick wieder senkte, statt wuchernder Büsche
und dürrer Bäume eine herrliche Weite türkisfarbenen Wassers vor sich
sehen, von dessen Wellenkämmen der Wind den Schaum hochwirbelte, und in
der Ferne Frachtschiffe, die die Linie des Horizontes durchbrachen.
    Und sie entschied auf der Stelle, dass sie genug hatte von den
Kleinstädten, in denen sie sich so lange versteckt hatte. Sie sehnte
sich nach der Küste, und genau dort würde sie auch demnächst hinziehen.
    Als sie die Treppe hinunterging, klingelte das Telefon. Ohne
auch nur nachzudenken, nahm sie am Tischchen in der Diele den Hörer ab
und sagte munter: »Hallo. Hier Daisy Wilson.«

4
    D ie Leichenhalle lag zwischen einem Park und
einer Feuerwache in den Außenbezirken von Braintree: ein unscheinbares
zweistöckiges Gebäude, das aussah, als sei es ursprünglich als
Ausweichquartier geplant gewesen, aber jetzt eben dastand, von der
Straße zurückgesetzt, und im Bewusstsein der Menschen mehr und mehr
verblasste. Selten, fand Detective Chief Inspector Lapslie, als er von
der Straße abbog und

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