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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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Informationen, doch er hatte das deutliche Gefühl,
dass das außerhalb der normalen Kanäle bewerkstelligt werden musste. Er
holte sein Handy aus der Tasche und ließ die Adressenliste durchlaufen,
bis er auf einen Namen und eine Nummer stieß, von denen er geglaubt
hatte, er würde sie nie wieder benutzen müssen, obgleich er
sie – für alle Fälle – nicht gelöscht hatte.
    »Dom McGinley«, sagte eine Stimme, die einen unmöglichen, aber
vertrauten Geschmack auf seiner Zunge auslöste wie Kaugummi mit
Lachsgeschmack.
    »McGinley? Mark Lapslie.«
    »Mr. Lapslie. Ist lange her.«
    »Fünfzehn Jahre. Und ich sehe jetzt wahrscheinlich so aus wie
Sie damals.«
    McGinley lachte; ein Dröhnen, das früher eine Bar hätte leer
fegen können. »Normalerweise nehme ich Anrufe von Bullen nur entgegen,
wenn ich was gegen sie in der Hand habe«, sagte er. »Mir ist, als wären
wir beide quitt gewesen, als wir uns getrennt haben.«
    »Dann ist heute Ihr Glückstag«, sagte Lapslie. »Ich brauche
einen Gefallen. Können wir uns treffen?«
    »Mann, ich dachte, dieser Tag würde niemals kommen. Mittwoch,
die übliche Kneipe an der Themse. Sie erinnern sich.«
    »Ich versuch's zu vergessen, aber es geht nicht. Also
gut – bis Mittwoch.«
    Das Handy verstummte, und Lapslie starrte es eine Weile an.
Eine Stimme aus der Vergangenheit, wirklich. Dominic McGinley war
damals, in den Siebzigern, im Norden Londons eine Legende gewesen. Er
beherrschte den größten Teil des Drogenhandels, der
Schutzgelderpressung und die gesamte Prostitution zwischen dem Nordring
und Westminster, zur Linken durch die A5 und zur Rechten durch die A10
begrenzt. Lapslie war nur einer von vielen Polizisten gewesen, die sich
bemüht hatten, ihm irgendetwas nachzuweisen, doch McGinley hielt immer
ein paar Schritte Abstand zu den Verbrechen. Etwas bis zu ihm
zurückzuverfolgen, war schier unmöglich.
    Und jetzt brauchte Lapslie seine Hilfe. Merkwürdig, wie die
Dinge manchmal liefen.

9
    E twas, das Daisy beim Durchlesen der
Lokalzeitungen, die den Bereich der Tendring Hundreds abdeckten,
vermisst hatte, war die Rubrik Kunst. Erst später an jenem Nachmittag,
als sie auf der Strandpromenade saß, über die grauen Wellen blickte und
nachgrübelte, wo sie das Gesicht dieses Mädchens aus dem
Bibliotheksbuch schon einmal gesehen hatte, fiel es ihr wieder ein: Sie
kramte in ihrer Tasche, zog die Gazette heraus und
blätterte die Seiten durch, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Ja!
Außer den üblichen Allerwelts-Shows mit den abgehalfterten
Fernseh-Entertainern, die das völlig falsche Publikum anzogen, gab es
im nahe gelegenen Clacton ein Theater, das anscheinend richtige
Schauspiele aufführte. Kultivierte Unterhaltung. Wenn ihre früheren
Erfahrungen, die zugegebenermaßen schon ein paar Opfer zurücklagen, sie
nicht trogen, dann musste die Auswahl in einem Theater ziemlich gut
sein. Selbst wenn sie die Paare und die Reisegesellschaften mied,
sollte durchaus noch ein reichliches Angebot an Frauen übrig bleiben,
die zwar genug Geld hatten, sich eine Theaterkarte zu leisten, aber
niemanden, der die Abende mit ihnen teilte. Perfekt!
    Laut Fahrplan, den sie am Kiosk der Touristen-Information
mitgenommen hatte, gab es einen Bus, der um sechs Uhr abends in Leyston
abfuhr und sie rechtzeitig zu Aufführungsbeginn nach Clacton brachte.
Und zum Glück hatte sie ein paar Kleider eingepackt, die förmlich genug
waren, um damit ins Theater zu gehen, aber leger genug, dass es kein
Problem sein sollte, in einem Seebad spätabends in einen Bus zu steigen.
    Sie ging ins Hotel zurück, duschte und legte ein wenig Make-up
auf. Nicht genug, um aufdringlich zu wirken, aber gerade genug, um den
Eindruck, den sie hervorrufen wollte, glaubhaft zu machen: dass sie
kultiviert war, aber nicht ›vornehm‹, dass sie Geld hatte, aber keine
Freunde. Genau das Spiegelbild der Person, nach der sie suchte.
Menschen wurden, wie sie beobachtet hatte, oft von ihren eigenen
Spiegelbildern angezogen.
    Das Kleid, das sie aus dem Koffer zog, war schwarz, aber nicht
beerdigungsschwarz. Mit einem Gürtel, einer Strumpfhose und einem
Mantel darüber würde es völlig akzeptabel aussehen. Sie dachte zurück,
versuchte sich zu entsinnen, woher sie es hatte. Gekauft hatte sie es
bestimmt nicht – Daisy bemühte sich, niemals etwas zu kaufen,
wenn sie es irgendwie vermeiden konnte. Hatte es einmal Alice Connell
gehört? Jane Winterbottom? Daisy versuchte, sich ihre Gesichter ins
Gedächtnis zu

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