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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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ihrem
Computer nach der Durchwahl suchte. Lapslie fragte sich gereizt, ob sie
wirklich im Justizministerium tätig war oder tatsächlich in einem
Callcenter saß, etwa in Mumbai oder Neu-Delhi, wo sie ihre Mittagspause
damit verbrachte, sich über die komischen Namen der Leute in England
kaputtzulachen.
    »Tut mir leid, es meldet sich niemand«, sagte die Stimme der
Sekretärin. »Soll ich Sie auf Mr. Gehertys Voicemail durchstellen, oder
möchten Sie mit jemand anderem sprechen?«
    »Genaugenommen«, sagte Lapslie, »muss ich ihm etwas per Post
zukommen lassen. Können Sie mir seinen Titel und seine Abteilung sagen?«
    »Ja, natürlich. Also – Martin Geherty,
stellvertretender Direktor, PRU. Benötigen Sie seine volle Adresse?«
    »Ist schon okay«, wehrte Lapslie ab, »dann weiß ich, wo er
ist.«
    PRU? Was hieß das?
    Angenommen, der schwarze Lexus auf dem Parkplatz und der
schwarze Lexus, den er da draußen gesehen hatte, wo man Violet
Chambers' Leiche entdeckt hatte, waren ein und derselbe – eine
Annahme, die es noch zu verifizieren galt –, und angenommen,
die beiden Männer, die aus Rouses Büro gekommen waren, waren auch
diejenigen, die dann in den Lexus auf dem Parkplatz eingestiegen
waren – wieder zunächst nur eine Vermutung, die einer
Bestätigung bedurfte –, dann sah es doch ganz so aus, als
liefe da so etwas wie eine parallele Ermittlung. Aber welches Interesse
konnte das Justizministerium – und insbesondere das PRU, was
immer das war – an dem Mord an einer alten Dame haben? Und
warum hatte Superintendent Rouse versucht, ihn sachte aus dem Fall
herauszumanövrieren, zuerst, indem er anfragte, ob er nicht zu
überlastet sei, um die Ermittlung ordentlich durchzuführen, dann, indem
er ihm vorgeschlagen hatte, in Frührente zu gehen, und versucht hatte,
Emma anderweitig einzusetzen? Wenn Rouse die Ermittlung stoppen wollte,
warum berief er ihn dann nicht einfach ab?
    Wahrscheinlich, weil er das hätte erklären müssen.
    Und das konnte er nicht.
    Das Stimmengewirr wurde ihm zu viel, und Lapslie machte sich
wieder auf den Weg in den Ruheraum in der Hoffnung, dass sich dort
niemand zu einem raschen Nickerchen eingeschlichen hatte, während er
weg gewesen war. Freitagnachmittags war es immer besonders schlimm:
Einmal hatte er dort drei Kollegen vorgefunden, die ihren
Mittagspausenrausch ausschliefen – einer im Bürosessel, einer
flach auf dem Rücken auf dem Schreibtisch und einer zusammengerollt
darunter.
    Doch er hatte Glück. Der Raum war noch leer.
    Er schloss die Tür, lehnte sich im Sessel zurück und ließ die
Stille auf sich wirken. Sein Atem, von dem er nicht einmal bemerkt
hatte, wie angespannt er war, beruhigte sich langsam.
    Seine Gedanken wanderten zurück in die Leichenhalle und zu der
Frage, ob dort ein Eindringling Dr. Catheralls Dateien durchforstet
hatte. Er hatte es Emma Bradbury gegenüber nicht erwähnt. Denn obwohl
sie eine Weile allein in Catheralls Büro gewesen war und gemäß der
theoretischen Analyse der Situation als Verdächtige in Frage kam, hatte
Lapslie sie sofort ausgeschlossen, weil sie Polizistin war, weil er sie
kannte und weil sie kein einleuchtendes Motiv hatte. Jetzt, da er den
Verdacht hatte, dass sein direkter Vorgesetzter mehr über den Fall
wusste, als er sollte, und sehr wohl seine Mitarbeiterin hatte
veranlassen können, ein bisschen Untergrundarbeit für ihn zu leisten,
vertraute Lapslie Emma paradoxerweise sogar noch mehr. Wenn nämlich
Superintendent Rouse in den Fall verwickelt war, dann waren es auch die
beiden Fremden vom Justizministerium, und dann war es plausibler, dass
die beiden in den Daten spioniert hatten und nicht sie. Schließlich sah
es ja auch ganz so aus, als seien die beiden am Fundort der Leiche
präsent gewesen.
    Ihm kam ein beunruhigender Gedanke: Waren sie dort gewesen, als die Leiche entdeckt wurde? Doch das war eigentlich unmöglich.
Wahrscheinlicher war, dass sie die Meldung irgendwie vom zuständigen
Polizeirevier oder von den Reportern am Unfallort aufgeschnappt hatten.
Aber was genau hatte dann ihr Erscheinen ausgelöst? Tauchten sie bei
jedem Autounfall auf, der sich in dieser Gegend ereignete?
    Oder tauchten sie nur jedes Mal auf, wenn der Leichnam einer
alten Frau entdeckt wurde?
    Er dachte daran, Emma in das einzuweihen, was passiert war,
auf der Basis, dass sie vielleicht etwas über diese mysteriösen Fremden
ausfindig machen konnte, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Zuerst
brauchte er mehr

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