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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Rechnung machen. Ihre Vorgesetzten wollen verhindern, dass ich mit diesen Leuten spreche und erreichen, dass ich entmutigt wieder abziehe. Sie haben Sie losgeschickt, um mir Steine in den Weg zu legen, damit ich so schnell wie möglich abreise.«
    Cooper bemerkte, dass er verlegen mit den Füßen scharrte, und versuchte so zu tun, als würde er damit gegen die Kälte ankämpfen.
    »Ich hatte keinerlei Anweisung, so etwas zu tun«, widersprach er.
    Alison zögerte. »Aber Sie sind der richtige Mann für eine solche Aufgabe, oder nicht? Sie sprechen die gleiche Sprache wie die Leute hier. Jedes Mal, wenn Sie vor mir irgendwo waren, bin ich mir erst recht wie ein Fremdkörper vorgekommen. Sobald die Leute meinen Akzent hören, machen sie dicht, als wäre ich ein feindlicher Spion. Man könnte meinen, wir hätten immer noch Krieg. Wer plaudert, gefährdet andere. Dieses Motto haben sie immer noch verinnerlicht. Wissen sie denn nicht, dass wir auf ihrer Seite waren?«
    »Aber so ist es doch nicht«, widersprach Cooper. »Die Leute hier sind von Natur aus zurückhaltend. Wenn man sie zum Reden bringen will, muss man sich schon ein bisschen Mühe geben.«
    »Ach ja? Mir kommt es eher so vor, als lebten sie immer noch im Krieg. Zurückhaltend ist eindeutig nicht das richtige Wort dafür.«
    Cooper schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid«, sagte er, »aber Sie sind hier diejenige, die ständig vom Krieg redet. Er ist schon lange vorbei. Lange bevor Sie und ich geboren wurden.«
    »Da täuschen Sie sich«, sagte Alison. »Für mich ist er nicht vorbei. Er ist erst dann vorbei, wenn ich herausgefunden habe, was mit meinem Großvater passiert ist.«
    Sie wechselten einen kurzen Blick. An der Straßenecke in der Nähe des Cavendish Hotels, an der sie stehen geblieben waren, blies ein eisiger Wind um die Häuser. Cooper sah, dass Morrissey fröstelte. Aber dann schien sich ihre Laune mit einem Mal zu heben, und sie lächelte.
    »Na ja, wenigstens einen Drink muss ich Ihnen wohl spendieren«, sagte sie. »Keine Widerrede. Gibt es hier irgendetwas in der Nähe, wo man hingehen kann?«
    Sie gingen ins Wheatsheaf, wo Alison zu Coopers Verblüffung ein Glas Apfelwein bestellte. Cooper fiel wieder ein, dass er nicht mehr zur Farm hinausfahren musste, und ließ sich ein großes Derbyshire Drop geben – eines der kräftigen Biere aus der Region, dessen Name auf die ursprüngliche Bezeichnung für den einzigartigen Blue John zurückging, den Halbedelstein, der so viele Touristen in den Peak District lockte.
    »Ich habe auch nach der Sonntagskarte gefragt«, sagte Morrissey. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.«
    »Dazu dürfen Sie mich aber nicht einladen«, protestierte er.
    »Wollen Sie jetzt etwa spießig werden? Haben Sie nicht eben gesagt, Sie seien heute nicht im Dienst?«
    »Trotzdem muss ich aufpassen.«
    »Verstehe. Sie klingen wie jemand, der sich auf einem schmalen Grat bewegt. Damit kann ich umgehen. Mir geht es nicht anders.«
    Morrissey entschied sich für einen Gemüseauflauf, während Cooper eine Lasagne aussuchte. Er kam sich lächerlich nervös vor. Als das Essen gebracht wurde, hatte er Mühe, die richtige Reihenfolge zusammenzubekommen: Wo legte man die Serviette hin, was spießte man zuerst auf, wann bestellte man den Kaffee?
    »Was meinten Sie mit ›auf einem schmalen Grat‹?«, hakte Cooper nach.
    Morrissey runzelte die Stirn. »Auf dem Grat zwischen zwei Welten, dem Grat zwischen Richtig und Falsch, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Suchen Sie sich einen aus. Ich bewege mich auf allen dreien.«
    »Vielleicht auch auf dem Grat zwischen Vernunft und Zwangsvorstellung?«
    Sie sah ihn an und nahm einen Schluck Apfelwein. Ihre Wangen hatten sich vom Alkohol und der Wärme im Pub bereits leicht gerötet. Dann fing sie an zu erzählen, erst stockend, dann immer flüssiger.
    »Ja, Sie haben Recht. Es ist zu einer Art Zwangsvorstellung geworden«, sagte sie. »Jedenfalls, nachdem ich den Bericht über den Absturz der Lancaster SU-V und die Liste mit den Namen der Toten gelesen hatte. Von diesem Augenblick an waren diese Männer für mich nicht mehr die anonyme Besatzung irgendeines RAF-Bombers, sondern Menschen. Sie hatten ein eigenes Leben, hatten Frauen und Kinder. Der eigentliche Auslöser war die Tatsache, dass Dick Abbott ebenfalls Vater eines kleinen Kindes war. Dabei war Abbott selber fast noch ein Junge. Das löste etwas in mir aus, irgendeinen Instinkt, der mich drängte, herauszufinden, was damals wirklich

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