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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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völlig unerwartet – eine Art metallische Bitterkeit im Mund, die ihn daran erinnerte, wie er sich einmal beim Rugby-Spielen in der Schule einen Zahn abgebrochen hatte. Bei dem Versuch, einen tollkühnen Angriff abzublocken, hatte er einen Stiefel ins Gesicht bekommen. Der plötzliche Schwall Blut in seinem Mund hatte ihn einen Augenblick lang in Panik versetzt, ehe ihm übel geworden war. Er hatte den Geschmack seines eigenen Lebens gespürt, wie es zwischen seine Zähne sickerte und sich mit seinem Speichel mischte. Die Einsamkeit schmeckte genauso. Genauso bitter wie damals das Blut auf seiner Zunge.
    Die Geräusche der Katze beruhigten ihn ein wenig. Das leise Tappen ihrer Pfoten auf den Wintergartenfliesen, das Rascheln, wenn sie sich in ihrem Körbchen umdrehte, sogar das leise Schnarchen, wenn sie schlief. Das waren nun die Geräusche, denen er gespannt lauschte. Ohne sie wäre das Haus tot und abweisend gewesen. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte er sich vorstellen, weshalb Diane Fry so viel Zeit bei der Arbeit verbrachte.
    Inzwischen war die Katze unbemerkt ins Wohnzimmer gekommen, saß auf einer Sessellehne und blickte ihn an. Als Cooper ihr Fell streichelte, spürte er eine kurze elektrische Entladung, und das Tier zuckte vor seiner Hand zurück. Die Luft war sehr trocken. Wahrscheinlich gab es in der Nacht wieder Frost.

21
    J eden Morgen, wenn Diane Fry die Autotür öffnete, musste sie kleine Styroporstückchen und fettige Papierfetzen vom Boden aufsammeln. Außerdem versprühte sie Raumspray, bis es im Wageninneren so konzentriert duftete, dass sie das Fenster herunterlassen musste, um nicht zu ersticken. Auch der Sonntagmorgen bildete da keine Ausnahme. Gavin Murfins Spuren hielten sich das ganze Wochenende. Sie war sicher, dass er seine pausenlose Nahrungsaufnahme bewusst als Mittel einsetzte, um sich nicht mit ihr unterhalten zu müssen, wenn sie zusammen unterwegs waren. Mit Ben Cooper konnte man wenigstens ein bisschen plaudern. Er brauchte sich keinen singenden Hummer zuzulegen, der das für ihn erledigte.
    An diesem Sonntagmorgen war Fry gerade mit dem Autoputz fertig, als sie ihr Handy klingeln hörte. Es war Inspector Hitchens.
    »Sie kommen am besten sofort ins Büro, Diane«, sagte er. »Hier ist der Teufel los.«
    Das Cavendish war nicht gerade das modernste Hotel in Edendale. Am Verkehrskreisel am Ende der Umgehungsstraße gab es das Holiday Inn und in der Eyre Street das Travelodge, außerdem war vor kurzem der alte Conservative Club, in dessen Bar noch immer die Porträts von Margaret Thatcher und John Major wie ausgestopfte Hirschköpfe an der Wand hingen, zu einem Hotel umgewandelt worden. Aber das Cavendish war, den Touristenbroschüren zufolge, das Hotel mit Charakter. Es war eines dieser Hotels, in denen der Ober die Times brachte, wenn man es sich in einem der Ledersessel in der Lounge bequem machte. Und es war das Hotel, in dem der Rotary Club seine Wohlfahrtsdinners für 80 Pfund Eintritt pro Nase veranstaltete. Der schmiedeeiserne Zaun vor dem Hotel war grün gestrichen und mit Spitzen versehen. In den meisten Städten waren solche Konstruktionen längst verschwunden, im Zweiten Weltkrieg herausgerissen worden, um Waffen daraus herzustellen. In Edendale waren sie diesem Schicksal auf wundersame Weise entronnen.
    Als Ben Cooper eintraf, wartete Alison Morrissey bereits auf der Treppe. Es war zwar kalt, aber nicht unangenehm eisig. Es schien, als könnte es jeden Augenblick anfangen zu regnen, was zumindest den Schnee fortgespült hätte, der immer noch in den Rinnsteinen und auf den Hügeln rings um die Stadt lag.
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte sie. »Ich war mir nicht hundertprozentig sicher. Ich wusste nicht, ob man es Ihnen erlaubt.«
    »Ich habe heute frei. Also kann ich tun und lassen, was ich will.«
    »Wahrscheinlich können Sie sich denken, was ich Ihnen sagen will.«
    »Ja. Aber ich bin gekommen, weil ich keine Missverständnisse aufkommen lassen möchte.«
    »Missverständnisse? Ich habe akzeptiert, dass mir die Polizei von Derbyshire nicht helfen will. Mir war aber nicht klar, dass Sie mich absichtlich behindern und sich in meine Angelegenheiten einmischen würden.«
    »So war es auch nicht«, gab Cooper zurück.
    »Ach nein? Sie haben die Lukasz aufgesucht, noch bevor ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen konnte. Und dann sind Sie sofort zu Mr Rowland gegangen. Sagen Sie jetzt bloß nicht, das war Zufall. Sie wollen mir einen Strich durch die

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