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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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nirgendwo runter«, meinte der Pilot.
    »Dann müssen wir eben zu Fuß rauf«, beharrte Caudwell. »Detective Cooper, würden Sie bitte dafür sorgen, dass uns jemand von der Spurensicherung begleitet?«
    Cooper sah sie verdutzt an. »Ich weiß nicht, was Sie dort zu finden hoffen. Wir haben erst am Freitag, nachdem das Baby entdeckt wurde, eine forensische Untersuchung durchführen lassen. Wie sich herausstellte, waren es alte Knochen.«
    »Aber nicht so alt wie die Besatzung der Lancaster, oder?«
    Jeder Polizist wusste, dass es nichts Schlimmeres gab, als einen alten Fall aufzurollen und in alten Knochen zu wühlen. Und es gab kaum Knochen, die kälter waren als diese hier. Wäre es nicht besser gewesen, die Flieger in Frieden ruhen zu lassen, als in ihren Gräbern zu wühlen und ihre Geister aufzuscheuchen?
    »Ich halte das für verrückt«, sagte Cooper.
    Caudwell zeigte ihm wieder ihre Grübchen. Jedesmal wenn die MDP-Sergeantin lächelte, hatte Cooper das Gefühl, neben einem riesigen Nagetier, einer Art Monsterhamster mit Pelzkappe, zu sitzen, der ihn im nächsten Moment erst verschlingen und dann wieder ausspucken würde.
    »Sie haben zweifellos Recht, mein Guter«, sagte Caudwell.
    »Manchmal hat man das Gefühl, als sei die ganze Welt verrückt, nicht wahr?«
    Steilhänge und Schneeflächen sausten unter ihnen vorbei, als der Hubschrauber einen weiten Bogen flog, um zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren. Zuerst hatte ihn die Form des Wracks an eine Kreuzigung erinnert. Aber er wusste, dass der Vergleich nicht ganz passte. Das hier hatte nichts mit dem Christentum zu tun. Hier gab es keine Botschaft von Tod und Auferstehung, von der Vergebung der Sünden. Er dachte an etwas Heidnischeres. Keine Auferstehung, nur eine Feier des Todes.
    Vor einigen Wochen hatte Cooper etwas über die dänischen Invasoren gelesen, die Derbyshire und die angrenzenden Grafschaften eine Zeit lang besetzt hatten. Ihre Armee hatte großen Wert darauf gelegt, die besiegten angelsächsischen Könige auf höchst grausame Weise hinzurichten. Sie hatten ihnen die Brustkörbe aufgeschnitten und die Rippen wie Flügel zur Seite gebogen, so dass ihre Herzen freilagen. Es war ein symbolischer Akt gewesen, ein feierliches Opfer, das sie ihren nordischen Göttern darbrachten. Sie nannten es den »Blutadler«. Es erinnerte auf unangenehme Weise an das Vorgehen bei einer Autopsie: das Aufsägen des Brustbeins, das Aufklappen des Brustkorbes, die Entnahme von Herz, Lungen und anderen inneren Organen. Cooper hatte sich des Eindrucks nie erwehren können, dass jede Autopsie ein Opferritual war, eine Zeremonie, mit der man das Opfer dem neuen Gott der modernen Wissenschaft darbrachte.
    Und genau daran hatte ihn die Form des Wracks nämlich erinnert: nicht an eine Kreuzigung, sondern vielmehr an einen Blutadler.
    Auf der Fahrt zum Snake Pass musste Ben Cooper seine Sonnenbrille aufsetzen, da die schneebedeckten Hänge mit ihren gleißenden Reflexionen mit zunehmender Höhe immer greller in die Augen stachen. Im Tal hatte sich der Schnee an den Böschungen mit dem abgestorbenen Farn nicht so lange gehalten.
    In den Nadelholzschonungen weiter oben im Tal war es anders. Dort standen die Fichten rötlich leuchtend vor dem blauen Schimmer des Schnees.
    Auf den höher gelegenen Hängen gab es keinen Farn mehr, sondern nur noch dürres Gras, an dessen Stängeln gefrorener Schnee klebte. Wenn man nach Süden in Richtung Sonne schaute, glich das karge Hochmoor einem Ozean, dessen Wellen bei der Berührung mit der Küste erstarrt waren.
    Heute ließ sich die Einflugschneise zum Flugplatz Manchester einwandfrei bestimmen. Die Kondensstreifen von sechs oder sieben Düsenflugzeugen zeichneten sich weiß am Himmel ab. Eine der schlimmsten Befürchtungen der Rettungsdienste war, eines Tages könnte eines dieser Passagierflugzeuge über dem Hochland am Dark Peak vom Himmel fallen. Schon jetzt lagen genügend Wracks im unzugänglichen Heideland, die jedem nur allzu deutlich vor Augen führten, wie schwierig sich eine Rettungsaktion gestaltete.
    Sie stellten ihre Fahrzeuge auf einem Parkplatz möglichst nahe am Irontongue Hill ab. Es war nicht der Parkplatz, auf dem man Nick Easton gefunden hatte, sondern ein Stück weiter oben, fast am höchsten Punkt des Snake Pass. Cooper stellte seinen Toyota hinter dem Ford der MDP und dem Kleinbus der Spurensicherung ab. Er war froh, dass die Spurensicherung Liz Petty geschickt hatte. Sie war gewissenhaft und darüber hinaus

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