Kaltes Grab
lediglich ein paar bunte Flaschen und eine Keksdose zum diamantenen Jubiläum von Queen Victoria standen, sahen trübe und verstaubt aus.
Hier gab es Geschäfte, die Ben Cooper noch nie geöffnet gesehen hatte, obwohl er sein ganzes Leben in und um Edendale verbracht hatte. Auch heute hingen die »Geschlossen«-Schilder in den Türen, ohne jeden Hinweis, wann der Inhaber den Betrieb wieder aufzunehmen gedachte. Vielleicht ließen sich die Besitzer nur zu besonderen Anlässen blicken, an langen Wochenenden etwa, wenn sich die Touristen mit den dicken Brieftaschen durch die Buttercross schoben. Vielleicht verkauften sie an solchen Tagen so viele Flaschen und Keksdosen, dass sie für den Rest des Jahres ausgesorgt hatten. Vielleicht mussten sie aber auch zusätzlich einer richtigen Arbeit nachgehen.
An diesem Nachmittag entsprach Buttercross jedenfalls genau seinem Touristenprospekt-Image. Der Schnee, die verwitterten Häuserwände und die Maßwerkfenster verströmten das passende Dickenssche Flair, um die alten Möbel ins rechte Licht zu rücken. Leider gab es im Januar keine Touristen, die das Ganze hätten gebührend würdigen können.
Zwischen den Läden wand sich unvermutet ein schmales Sträßchen bergauf. Zu beiden Seiten waren für die Fußgänger Handläufe in die hohen Kalksteinmauern eingelassen, dafür gab es keinen Bürgersteig. Die Mauern waren ursprünglich aus dem traditionellen Trockenstein errichtet worden, wurden jetzt jedoch von Mörtel zusammengehalten, aus dessen Ritzen Immergrün wucherte – einsame grüne Stängel, von gefrorenem Schnee umhüllt.
Gavin Murfin wurde gegen die Tür von Coopers Toyota geworfen, als sie über das Kopfsteinpflaster holperten, scharf abbogen und die nächste steile Gasse in Richtung Underbank hinauffuhren. Hier oben waren die Straßen sogar noch schmaler. An den Türen hingen kleine Klopfer in Gestalt von Eulen und Füchsen, während die Hausnummern auf bunten Fliesen in den Stein eingelassen waren. Weiter oben, unweit der Jugendherberge, stand eine Reihe dreistöckiger Häuser aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Einige davon waren in Mietswohnungen umgewandelt worden, nur das Letzte sah unbewohnt und heruntergekommen aus. Ein zerbrochenes Fenster im ersten Stock war bis zum heutigen Tag nicht repariert worden.
Die Beeley Street war kaum mehr als eine schmale Gasse ohne feste Fahrbahndecke und gerade breit genug für ein Auto. Cooper und Murfin gingen das letzte Stück zu Fuß und überquerten eine kleine schneebedeckte Grasfläche.
»Das ist jedenfalls Eddie Kemps Wagen«, sagte Murfin. »Den habe ich schon oft in der West Street gesehen.«
Es war ein silberfarbener Isuzu Trooper, auf dessen Dachgepäckträger mehrere Leitern festgeschnallt waren. Er parkte mit der Schnauze bergab in Richtung Buttercross auf einer leicht erhöhten Betonrampe vor Kemps Haus. Die Müllmänner hatten einen neuen Plastiksack hinter das Speirohr neben der Tür geklemmt. Obwohl die Straßen inzwischen frei waren, würden sie so bald nicht wieder hier heraufkommen.
Eddie Kemp öffnete persönlich die Tür.
»Ach, Sie sind’s«, sagte er. »Ich beantworte keine Fragen mehr.«
»Ist das Ihr Wagen, Sir?«, fragte Cooper.
»Sind Sie taub? Ich hab eben gesagt, dass ich keine Fragen mehr beantworte.«
»Ich kann auch über das Kraftfahrzeugamt überprüfen lassen, ob Sie als Eigentümer eingetragen sind.«
»Warum denn? Ist was nicht in Ordnung damit?«, wollte Kemp wissen.
»Ich weiß nicht, Sir. Ist denn etwas damit nicht in Ordnung? Sollen wir mal einen Blick darauf werfen, wo wir schon mal hier sind?«
»Nein.«
»Flotte Kiste«, sagte Murfin gut gelaunt. »Bestimmt sehr praktisch.«
»Ihr wisst doch auch so, dass das mein Wagen ist«, sagte Kemp. »Alle Bullen wissen das. Ich parke jedes Mal ordentlich auf eurem Parkplatz, wenn ich die Fenster putzen komme.«
»Allradantrieb, oder?«, fragte Cooper.
»Klar.«
»Fährt sich gut im Schnee.«
»Muss er ja.«
»Sind Sie am Montagabend mit diesem Wagen gefahren, Sir?«
»Er hat hier gestanden.«
»Seit wann?«
»Hat jemand gesagt, ich wäre damit rumgefahren?«
»Das ist keine Antwort.«
»An Ihrer Stelle würde ich Detective Cooper antworten«, sagte Murfin. »Wenn er sauer wird, nennt er Sie nicht mehr ›Sir‹. Und das kann ziemlich hässlich werden.«
Cooper stieg auf die Rampe und betrachtete sich die Reifen des Isuzu. Daraus ließen sich zwar keinerlei Rückschlüsse ziehen, aber das wusste Kemp nicht.
»Wann
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