Kaltes Grab
sich Tailby zu, der ihn ignorierte. Zum ersten Mal an diesem Morgen stahl sich ein leises Lächeln auf Tailbys Gesicht.
»Das heißt, jemand hat sich große Mühe gegeben, alle Hinweise auf die Identität des Toten zu beseitigen«, sagte Cooper.
»Ja und nein«, erwiderte Hitchens. »Es wurden zwar alle Sachen aus der Tasche genommen, den Toten selbst aber hat man voll bekleidet liegen lassen. Man hat ihm seine Brieftasche und vielleicht auch sein Handy abgenommen, falls er eins dabeihatte, aber seine Taschen hat man nicht geleert. Und warum haben die Täter die Reisetasche liegen lassen? Wenn sie sie angefasst haben, gehen sie damit ein Risiko ein. Warum haben sie die Tasche nicht gleich zusammen mit den Kleidern weggeworfen? Das passt alles nicht richtig zusammen.«
»Was sagen die Vermisstenmeldungen?«, fragte Chief Inspector Kessen.
»Bestimmt ist auch da alles unter Kontrolle«, antwortete Tailby.
»Selbstverständlich. Ich wollte nur wissen, wer sich darum kümmert.«
Gavin Murfin hob zögernd die Hand. Er hatte den Mund voller Schokolade und kaute ein bisschen schneller, als sich die Blicke beider Chief Inspectors auf ihn richteten.
»Das ist Detective Constable Murfin«, stellte Tailby ihn vor.
»Guten Tag, Murfin«, sagte Kessen. »Sie haben die Vermisstenmeldungen im Griff?«
Murfin machte den Mund auf, aus dem jedoch nur Kaugeräusche und leises, würgendes Schlucken drangen.
»Schon irgendwas herausgefunden, Murfin?«, hakte Tailby nach.
»Nein, Sir. Wir haben eine Liste vorliegen, auf der einem aber sozusagen nichts direkt ins Auge springt.«
»Überregionale Behörden?«
»Die Anfrage läuft noch«, gab Murfin zurück. »Von einigen haben wir noch keine Antwort.«
»Dann bleiben Sie dran, Murfin.«
»Jawohl, Sir.« Murfin merkte, dass seine Hand immer noch in die Luft ragte. Er ließ sie sinken und sah verlegen in die Runde.
»Und wer ist die Dame?«, fragte Chief Inspector Kessen plötzlich. Alle drehten sich nach der Tür um, doch dort war niemand zu sehen. Cooper ließ den Blick nicht von seinen beiden Vorgesetzten und sah, wie sich Tailbys Kiefermuskeln anspannten. An diesem Nachmittag befand sich nur eine einzige Frau im Raum, und das war keine Dame, sondern Diane Fry. Schließlich folgten ein paar Beamte Kessens Blick. Er lächelte und zog neckend die Augenbraue hoch, eine Marotte, die er sich beim Betrachten von Sean-Connery-Videos angewöhnt haben musste.
Fry stand auf und beantwortete die Frage selbst, was bei Besprechungen absolut unüblich war.
»Detective Sergeant Diane Fry, Sir.«
»Guten Tag, Diane. Und woran arbeiten Sie gerade?«
»Sergeant Fry gehört zu meinen besten Leuten«, informierte ihn Tailby mit unheilvoller Miene.
»Aber gewiss. Das sieht man auf den ersten Blick. Aber ich glaube, dass sie jetzt eher zu meinen Leuten gehört, Stewart.«
»Wir haben eine Beschreibung des Mannes mit der Bitte um Hinweise an alle Medien herausgegeben«, sagte Fry kühl. »Außerdem haben wir Beamte zu Kontrollpunkten an der A57 geschickt, wo sie sämtliche Autofahrer aus der Umgebung anhalten, die etwas gesehen haben könnten. Und wir suchen nach einem Wagen mit Allradantrieb, der womöglich zu dem Zeitpunkt in dieser Gegend gesehen wurde, zu dem die Leiche dort hingeschafft wurde. Selbstverständlich gehen wir auch den Hinweisen nach, die uns der Tote selbst liefert: seiner Kleidung und allem, was er bei sich hatte. Die Kleidung scheint momentan am vielversprechendsten zu sein.«
Chief Inspector Kessen nickte und lächelte beifällig.
»Außerdem haben wir eine kleine Tätowierung am linken Oberarm der Leiche gefunden«, fuhr Fry fort. »Ein Dolch mit einer Schlange. Ein weit verbreitetes Motiv, trotzdem könnte es uns bei der Identifizierung helfen.«
»Ich bin sicher, dass Sie ausgezeichnete Arbeit leisten«, sagte Kessen. »Ganz hervorragende Arbeit.«
»Sollen wir weitermachen?«, fragte Tailby. »Wir haben heute noch viel vor.«
Fry drehte sich um, so dass sie Cooper und Murfin sehen konnte, die sich jedoch beide hüteten zu grinsen.
»Erklären Sie uns doch bitte noch einmal den zeitlichen Ablauf«, sagte Tailby.
Fry folgte seiner Bitte und erläuterte den eingeschränkten Zeitraum, in dem die Mörder Gelegenheit hatten, die Leiche am Snake Pass abzuladen, ohne dabei gesehen zu werden.
»Deshalb gehen wir mit ziemlicher Sicherheit davon aus, dass es sich um ein Fahrzeug mit Allradantrieb gehandelt haben muss«, sagte sie.
»Davon gibt es hier nicht gerade
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