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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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mit wollenen Ohrklappen. Zuerst dachte Cooper, der Mann hätte sich mehrere Pullover um die Hüfte gebunden, doch als Malkin sich bewegte, stellte er fest, dass der Mann eine birnenförmige Figur mit ausladenden Hüften besaß, wie sie für jemanden typisch war, der nicht genug Sport trieb. Cooper stellte sich vor.
    »Wenn Sie vielleicht ein paar Minuten für mich übrig hätten, Mr Malkin? Es ist aber nichts Schlimmes.«
    »Dann kommen Sie wohl besser mit ins Haus.«
    Das Bauernhaus war niemals dem modernen Lebensstandard angepasst worden. Es verfügte weder über Doppelverglasung noch Zentralheizung, und der Rauchkringel aus dem Schornstein verriet, dass mindestens ein Kohleofen in Betrieb war. Der Haustür aus Mattglas und dem blauen Linoleumboden in der Diele nach zu urteilen, hatte die letzte Modernisierung in den Sechzigerjahren stattgefunden.
    Malkin zog den Anorak aus und nahm die Mütze ab. Seine Haut war wettergegerbt, und er wirkte vorzeitig gealtert. George Malkin war beim Absturz der Lancaster acht Jahre alt gewesen, folglich bezog er erst seit kurzem Rente.
    »Entschuldigen Sie das Durcheinander«, sagte Malkin. »Ich bekomme nicht oft Besuch.«
    Cooper fröstelte. Im Haus herrschte eine Kälte, die zum Teil von jahrelangem mangelhaftem Heizen herrührte, eine Gebirgsfeuchtigkeit, die sich in den Steinwänden eingenistet hatte. Darüber hinaus hatte der Wind, der vom Kinder herabfegte und auf den öden Feldern heulte, seinen Weg in Malkins Haus gefunden, um dort zu überwintern. Er zog unter der Hintertür herein und durch die Lücken in den Rahmen der Schiebefenster hindurch, legte sich um die Möbel und auf die Wände. Cooper hatte das Gefühl, als wäre die Kälte so etwas wie ein lebendiges, greifbares Wesen, das sich mit einem eigenen Willen bewegte und ihm, als er durch den Raum ging, über den Nacken strich und sich auf jeder Schwelle wie ein feuchter Vorhang vor ihm aufbaute.
    »Nicht grade warm heute«, stellte Malkin fest und beobachtete Cooper, der sich vor dem Kaminfeuer hin und her drehte, um wenigstens ein bisschen Wärme abzubekommen.
    »Kann man wohl sagen.«
    »Das alte Haus muss im Winter ziemlich beheizt werden. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Wissen Sie, ich bin hier aufgewachsen, ich hab mein ganzes Leben hier verbracht. Ich kenne es nicht anders. Es heißt, man kriegt dünneres Blut, sozusagen als Ausgleich.«
    Es gab nirgendwo ein Entkommen vor der Kälte. Sogar als Cooper sich ganz dicht vor das Kohlenfeuer stellte, wurde er nur auf einer Seite warm. Die Kälte klammerte sich weiterhin wie ein Parasit an seinen Rücken und entzog ihm seine Körperwärme.
    »Hier oben sind Sie dem Wetter ja ziemlich schutzlos ausgesetzt. Sind Sie oft eingeschneit?«
    »Ja, klar. Wenn es schneit, ist es hier zuerst dicht. Der Schnee kommt von da oben aus dem Tal und durch die Hügel direkt auf Harrop runter. Wenn dann noch ein bisschen Wind mitkommt, gibt’s hier gleich riesige Schneewehen. Im Winter ‘78 hätten Sie mal herkommen sollen. Das war vielleicht ein Winter! Wir haben tagelang unser Auto gesucht. Ein Ford Escort, wenn ich mich recht entsinne. Als wir ihn endlich ausgebuddelt hatten, war der Motorraum ein einziger Block aus gefrorenem Schnee. Und die Leute liefen oben auf den Steinmauern, weil der Schnee auf der Straße so hoch lag, dass die Mauern der einzige feste Untergrund weit und breit waren.«
    »Daran kann ich mich sogar noch erinnern«, meinte Cooper. Damals war er sechs Jahre alt gewesen und musste ein paar Tage nicht zur Schule gehen. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal hinaus in den Schnee gedurft, sondern hatte ihn von seinem Zimmerfenster aus betrachtet, sich die Nase an der Scheibe platt gedrückt und Muster auf die gefrorenen Scheiben gemalt. Vielleicht hatten ihm seine Eltern schließlich doch noch erlaubt hinauszugehen, nachdem der Großteil des Schnees wieder verschwunden war. Er wusste noch, dass ihn sein Bruder Matt mit Schneebällen bombardiert hatte, die hart wie Holzkugeln waren, aber in der Kapuze seines Anoraks zu kaltem, nassem Matsch schmolzen, der ihm den Nacken hinunter rann. Seither hatte es nie mehr so viel Schnee gegeben. Jedenfalls konnte er sich nicht daran erinnern. Keinen richtigen Schnee.
    »Kommen Sie mit in die Stube«, forderte Malkin ihn auf. »Wärmen Sie sich auf.«
    Die so genannte »Stube« war eine Art Wohnzimmer, das von einem riesigen Eichentisch beherrscht wurde, dessen Beine nur an einer Seite auf einem Teppich standen. Auf der

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