Kaltes Grab
Glück zu hoffen. Zwei Leute auf seiner Liste blieben in ihren Aussagen viel zu vage, um zur Identifizierung des Schneemanns beizutragen. Wie vorauszusehen war, erwiesen sich ihre Beschreibungen bei näherer Befragung als unzureichend und nutzlos. Und selbst wenn sie den Schneemann gesehen hatten, konnten sie nicht sagen, wer er war, wohin er wollte oder woher er gekommen war.
Die erste Zeugin war eine alte Dame mit einer Brille mit Bifokalgläsern und schütterem Haar gewesen, die gesehen hatte, wie ein Fremder in ihrer Straße stehen geblieben war und die Hausnummern betrachtet hatte. Sie hatte aber nicht beobachtet, dass er an einem bestimmten Haus geklingelt hatte. Und leider war ihr auch kein Auto aufgefallen, das ihm gehört haben könnte, was ihnen immerhin hätte weiterhelfen können.
Die zweite Zeugin, eine geschiedene Dame mit zwei kleinen Kindern im Grundschulalter, war jünger und erinnerte sich an mehr Details. Außerdem hatte sie den Betreffenden aus der Nähe gesehen. Sie hatte jemanden wie den Schneemann beobachtet, wie er in der Drogerie in der Clappergate Rasierklingen und eine Flasche Grecian 2000, eine Tönungslotion gegen graues Haar, und zwar in Dunkelbraun, gekauft hatte. Ihr war aufgefallen, dass er gut gekleidet war, mit ordentlich geputzten Schuhen, und dass er seine Einkäufe mit einer nagelneuen Zwanzigpfundnote bezahlt hatte. Sie hatte in der Kassenschlange direkt hinter ihm gestanden und glaubte, dass er ein Rasierwasser namens Obsession benutzte. Anschließend hatte sie ihn in Richtung Marktplatz davongehen sehen, ihn dann aber in der Nähe der Kreuzung High Street verloren, wo er die Straße überquert hatte. So drückte sie es aus – sie hatte ihn »verloren«. Cooper war beeindruckt gewesen. Mit ein bisschen Training hätte sie eine effektive Überwachungsspezialistin abgeben können.
Die dritte Frau war nicht zu Hause gewesen. Cooper hatte seine Karte mit der Bitte, sie möge sich mit ihm in Verbindung setzen, unter der Tür durchgeschoben. Diese Zeugin wohnte in einer der halbmondförmig angelegten Straßen, die sich an die Hügel oberhalb von Edendale drängten. Der Großteil der Gebäude hier waren Einfamilienhäuser aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, einige davon ziemlich groß, mit gepflegten Gärten und ausgebauten Dachgauben.
Damit blieb nur noch die Adresse übrig, die er sich bis zuletzt aufgehoben hatte. Cooper warf einen Blick auf die Straßenkarte im Handschuhfach seines Wagens. Woodland Crescent war nur zwei Kreuzungen von der Straße entfernt, in der er sich gerade befand, also höchstens ein paar hundert Meter. Er parkte den Toyota am Straßenrand und ging zu Fuß in Richtung Stadtmitte, wobei er sich in der Mitte des Bürgersteigs hielt, um nicht in den tiefen Schnee zu geraten.
Er kam an einem kleinen Lebensmittelladen und an einer Postfiliale vorbei, vor denen Reklameschilder der Derbyshire Times und der Daily Mail standen. Ein kleiner Laster mit dem Namen eines hiesigen Bauunternehmers auf der Fahrertür stand in einer Einfahrt neben einer gläsernen Voliere voller flatternder Zebrafinken. Zweihundert Meter weiter, auf der Hauptstraße, sah er die Geschäftsräume eines Traktorvertragshändlers, direkt gegenüber vom Queen’s Park, der größten Grünanlage der Stadt.
Woodland Crescent unterschied sich nicht sehr von den anderen Straßen: noch mehr Bungalows und weiter oben ein paar neuere Häuser mit großzügigen Rasenflächen zwischen den Einfahrten. Ein ungefähr sechzigjähriger Mann, der wie ein Fischer mit gelbem Ölzeug bekleidet war, schob mit einem Besen langsam Schnee vom Bürgersteig. Als Cooper vorbeiging, hielt er inne und nickte ihm zu. Sein Gesicht war gerötet und er schnaufte schwer. Seine Atemwölkchen ließen Cooper an die Autos denken, die früher am Morgen in den Abgasschwaden ihrer alten Motoren standen.
Hinter dem Fenster der Nummer 37, dem Haus der Lukasz’, saß eine Frau. Es war ein großer Bungalow mit integrierter Garage und einem beachtlichen Wintergarten auf der Rückseite. Cooper vermutete, dass es sich bei der Frau um Grace Lukasz handelte. War sie mit Piotr Lukasz verheiratet?
Cooper ging die Auffahrt zum Haus hinauf, wobei er sich der Blicke der Frau durchaus bewusst war. Sie beobachtete ihn misstrauisch, als wäre er ein unwillkommener Gast – ein Zeuge Jehovas oder ein Versicherungsvertreter. Kurz vor der Haustür blieb er stehen und sah sie an. Die Frau starrte zurück. Und auf ihrem Gesicht war nicht nur
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