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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Gewicht. Seine Windjacke flatterte in einer Bö.
    »Hey!«, rief er. »Ich glaube, die haben einen von der Besatzung vergessen!«
    »Was?«
    »Hier drunter liegen Knochen. Ein Skelett! Eine Leiche!«
    »Erzähl keinen Quatsch!«
    »Das ist ein vermisster Flieger von 1945.«
    Die Kadetten lachten unsicher. Sie waren überzeugt, dass Mason lediglich die Überreste eines kranken Schafes oder verirrten Lämmchens entdeckt hatte, das sich zum Sterben unter den Flügel verkrochen hatte.
    Keuchend stemmte Mason den Flügel ein Stück höher, während dunkle, nasse Torfbatzen von der Metallunterseite bröckelten. Widerwillig kamen die anderen näher. Sie waren bereit, sein Spielchen eine Weile mitzuspielen, auch wenn sie wussten, dass er sie nur mit einem toten Schaf zu veralbern versuchte.
    Das Skelett lag in einer Vertiefung unter dem Flügel, in der es vor der Witterung und vor Aasfressern geschützt gewesen war. Es sah aus, als wäre es noch fast vollständig. Der Schädel hing an einem zerbrechlichen Hals, die kleinen Gelenkknochen lagen alle an ihrem Platz, und am Brustkorb und an den Unterschenkeln klebten sogar noch kleine Hautfetzen. Aber die Kadetten erkannten sofort, dass dieser Leichnam viel zu klein für ein Schaf war. Und es war auch keine lockige graue Wolle, die an der verwesten Kopfhaut klebte, sondern etwas von Menschenhand Gefertigtes und viel Schockierenderes schrie ihnen aus dem dunklen Torf entgegen.
    Mason zuckte zurück und ließ den Flügel los, der mit einem dumpfen Knall zurückschnellte, ihre Stiefel mit nassem Schnee bespritzte und das Skelett wieder im Dunkeln verschwinden ließ. Die Kadetten schnappten entsetzt nach Luft, wichen taumelnd zurück und schüttelten die Köpfe, um sich wieder ein wenig zu sammeln. Dann starrten sie Josh Mason an, als wäre er allein dafür verantwortlich, dass sich dieses Bild in ihre Köpfe brannte.
    Aber sie alle hatten die Knochen unter dem Flügel gesehen. Sie alle hatten die weiße Strickjacke und das alberne rosafarbene Mützchen gesehen. Sie alle hatten genug gesehen, um zu begreifen, dass die Klappen an dem Mützchen die winzigen Ohren eines Babys schützen sollten. 

15
    B en Cooper hatte den Eindruck, als seien heute noch mehr Bücher in Lawrence Daleys Laden, falls das überhaupt möglich war. Konnten sie sich über Nacht vermehrt haben? Oder waren sie nur anders geordnet, so dass die Stapel noch instabiler aussahen?
    »Ich finde, diese Bücher nehmen viel zu viel Platz weg«, meinte Cooper, als Lawrence aus dem hinteren Teil des Ladens hervorkam. »Sie haben selbst gesagt, dass Sie keine Neuanschaffungen mehr unterbringen können.«
    »Darum geht es doch nicht.« Lawrence seufzte, wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn und ließ sich auf einem wackeligen Turm altersschwacher Bände nieder. Ziemlich weit oben lagen Beobachtungen im Gebiet des unteren Derwent Valley sowie Umfassende Aufzeichnungen der Vogelzüge in West-Derbyshire 1925-1930. Lawrences Brillengläser waren mit braunem Staub bedeckt, durch den die Bücher um ihn herum noch verstaubter aussehen mussten.
    »Worum geht es dann?«, wollte Cooper wissen.
    »Es geht darum, dass die alten Bücher genau das sind, was meine Kunden hier im Laden sehen wollen. Sie kommen wegen der Atmosphäre, verstehen Sie? Sie mögen das Ambiente. Sie möchten die Bücher anfassen und ihren Geist in sich aufnehmen. Glauben Sie, der Kunde neulich wäre reingekommen, wenn ich statt diesem Zeug hier Harry Potter verkaufen würde?«
    »Nein, aber …«
    »Alles eine Frage der Zielgruppenorientierung. Man muss seine Nische finden. Man muss die Bedürfnisse eines ganz speziellen Marktes analysieren und sein Angebot entsprechend ausrichten.«
    »Das haben Sie doch irgendwo in einer Zeitung gelesen«, sagte Cooper.
    »Stimmt. Erst vergangene Woche ging es in einem Artikel im Buchhändler-Blatt darum, wie kleine unabhängige Buchhandlungen überleben können«, erwiderte Lawrence. »Unterm Strich stand darin, dass ich meine Marktnische finden muss, sonst kann ich gleich dichtmachen. Leider sieht es ganz so aus, als wollte die Kundschaft, die meine Nische darstellt, in Wahrheit keine Bücher kaufen. Die Leute wollen nur ein bisschen in alten Wälzern blättern, in denen handschriftliche Preise wie ›drei Shilling und Sixpence‹ stehen. Das ist praktisch Teil des Erlebnisses für sie.«
    Cooper nahm eine von der Historischen Gesellschaft Edendale herausgegebene Broschüre mit dem Titel Volksbräuche im Eden Valley in

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