Kaltes Herz
niesend im Wagen herumzuschnüffeln.
«Shhh», machte Charlie. «Leise.»
Der Motor sprang an, der Wagen setzte sich in Bewegung. Hund begann zu fiepen und lief aufgeregt hin und her, bis er eine Stelle fand, von der er die Nase nicht lassen konnte.
«Was ist denn dort?», fragte Charlie. «Ist Hetti etwa hier gewesen?»
Hund stellte die Ohren auf.
«Hetti?»
Als Hund erneut die Nase gegen den Boden das Wagens drückte und zu fiepen begann, gab es für Charlie keinen Zweifel mehr, dass Heinz Graf ihm etwas verschwiegen hatte.
Als der Wagen nach kurzer Fahrt wieder hielt, wurde Charlie klar, dass er nicht weit genug gedacht hatte. Wenn Heinz Graf jetzt, warum auch immer, den Laderaum öffnete, würde er ihn entdecken. Er hörte Schritte, knackende Zweige, was ihm seltsam erschien, denn Heinz Graf hatte doch gesagt, er wolle die Polizei verständigen. Es blieben ihm nur Sekunden, die Wolldecke aus seinem Rettungsbeutel zu zerren, sie sich überzuwerfen und, Hund an sich gedrückt, im hintersten Winkel des Laderaums regungslos liegen zu bleiben und zu hoffen, dass er wie ein Haufen alter Decken aussah.
Charlie hielt Hund die Schnauze zu und lauschte. Die Schritte entfernten sich.
Vorsichtig öffnete Charlie den Wagen und spähte hinaus. Sie standen an einem Waldrand, und Heinz Graf hatte seine Rettungsausrüstung im Wagen zurückgelassen. Er selbst war weit und breit nicht zu sehen.
«Such», sagte Charlie und hielt Hund erneut das Taschentuch unter die Nase. «Such Hetti.»
Seit gestern war Heinz ununterbrochen unterwegs gewesen, um nach dem Mädchen Ausschau zu halten, er war müde und gereizt und auch nach den beiden Brezeln, die er gegessen hatte, immer noch hungrig. Es kam ihm einfach zu unwahrscheinlich vor, dass sie nicht mehr in der Senke sein sollte. Sie hatte nicht geatmet, als er mit ihr fertig gewesen war, er war sich so sicher gewesen.
Heinz stellte den Wagen am Waldrand ab und arbeitete sich, jetzt schon zum dritten Mal, durchs Unterholz. Vielleicht hatte er nur nicht genau genug nachgeschaut, vielleicht hatte er sich einfach geirrt. Sicher gab es noch mehr umgestürzte Bäume in diesem Waldabschnitt, es war ja dunkel gewesen.
Ein Blick in das Erdloch hinter der herausgebrochenen Baumwurzel zeigte Heinz genau das, was er nicht sehen wollte: Das Mädchen war fort. Entweder lag sie an einem anderen Platz in der Nähe, dann bestand die Gefahr, dass jemand sie fand. Oder sie lebte. Und lief herum. Dann könnte sie alles Mögliche über ihn erzählen. Aber hätte sie dann nicht bereits irgendwo auftauchen müssen?
Nein, wir haben kein Mädchen gesehen.
Und wenn ein Tier sie geholt hatte? Was für Tiere gab es hier, die einen solchen Fang wegschleppen konnten? Für einen Fuchs wäre selbst das schmale Mädchen ein zu großer Brocken gewesen.
Heinz suchte sich einen großen Stock und fing an, rund um die Baumwurzel durch den Farn zu pflügen, mit zunehmender Wut, weil es einfach keinen anderen umgestürzten Baumstamm hier gab und auch keinen Mädchenleib. Und das hieß, er hatte fast gar keinen Vorteil gegenüber den anderen Männern, die nach ihr suchten. Außer dem Wissen, dass sie von hier aus losgelaufen sein musste. Heinz schlug mit dem Stock gegen einen Baum und fluchte, als er zerbrach.
Er musste nachdenken. Falls sie lebte, was konnte sie schon beweisen? Er würde ihre Geschichte einfach leugnen. Und wenn sie von hier weggelaufen und dann irgendwie gestorben war? Gab es irgendetwas, das den Verdacht auf ihn lenken würde? Er wusste es nicht, er konnte nicht sicher sein. Er musste das Mädchen einfach zuerst finden, egal in welchem Zustand.
Er hoffte, er fand sie tot, denn wenn er sie lebend fand, dann würde er die Sache auch zu Ende bringen müssen. Andererseits, wenn er sie lebend fand … Er konnte es noch einmal tun. Er könnte ihr dabei die Kehle zudrücken. Er war sich ziemlich sicher, dass ihm das mehr Spaß machen würde als alles, was er bisher mit Mädchen getan hatte. Zusehen, wie ihr die Luft ausging, während er selbst den Gipfel des Lebens erklomm. Heinz stöhnte in einer Mischung aus Vorfreude und Frustration bei dieser Vorstellung. Doch zuerst musste er sie finden!
Dann entdeckte er einen Pfad im Unterholz, kaum benutzt, aber dennoch, es war ein Pfad. Wenn er sich allein in einem Wald wiederfinden würde, würde er nach einem Pfad suchen und ihm folgen, weil ein Pfad immer zu Menschen führte. Heinz beschloss, es in dieser Richtung zu versuchen.
Charlie hielt
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