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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Freise
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häuslichen Verrichtungen beherrschte, und sie nahm sich vor zu lernen. Es gab ihr das Gefühl, am Leben teilzunehmen, und es fehlte nicht viel, und sie hätte sich gefreut, hier zu sein.
    «Ich muss jetzt schnell noch die anderen Zimmer machen», sagte Ida. «Ich bin schon spät dran. Ich hole dich hier ab, wenn ich fertig bin!»
    Henriette hörte Ida im Nebenzimmer. Sie war froh, dass sie ihre ungeschickten Versuche mit dem Bettbezug nicht beobachtete. Man musste zuerst hineinfassen, bis in die Ecken, dann die Ecken des Federbettes packen und den Bezug darüber schütteln. So schwierig war es gar nicht, und es erfüllte Henriette mit Genugtuung, dass sie es ohne Hilfe schaffte.
    Als Ida zurückkam, war das Bett fertig, und Henriette saß schwitzend und mit schmerzendem Hals auf der Bettkante.
    «Du hast den Bezug ja auf links aufgezogen.»
    Ida lachte.
    Henriette sprang erschrocken auf.
    «Oh nein, Entschuldigung!»
    Sie fing an, den Bettbezug wieder aufzuknöpfen, doch Ida winkte ab.
    «Ach, lass doch. So herum schläft es sich genauso gut darin. Komm, ich stelle dich meinen Schwestern vor.»
     
    Henriette lief hinter Ida die Treppen hinunter, durch die untere Diele in den Hof hinaus, wo Ida dem Hund im Vorbeilaufen etwas aus ihrer Schürzentasche zusteckte und verschwörerisch einen Finger an die Lippen legte.
    «Er darf eigentlich keinen Käse. Aber er mag ihn so.»
    «Wie heißt er?», wollte Henriette wissen.
    Ida zuckte die Achseln.
    «Hund.»
    «Einfach Hund?»
    «Wir konnten uns nicht einigen, wie er heißen sollte, und Mutter wollte nicht, dass wir sentimental mit ihm werden. Hund ist hängengeblieben. Manchmal sagen wir auch Schlund. Weil er alles frisst, was man ihm gibt.»
    Henriette lachte, dann schlängelten sie sich zwischen den im Wind knatternden Laken hindurch. Ida warf einen skeptischen Blick in den grauen Himmel.
    «Na, ob das hält …»
    Sie erreichten die Scheune auf der rechten Seite des Hofes, das Tor stand offen, nach Seife und Natron riechender Dampf zog in die kalte Luft heraus. Sobald Henriette eintrat, vernahm sie wieder ein rhythmisches Stampfen und Rollen, wie sie es bei ihrer Ankunft in den Fußsohlen gespürt hatte. Nur war der Takt jetzt schneller, und es klang nass.
    «Hier unten wird gewaschen», sagte Ida, die Stimme gegen den Lärm erhoben.
    «Und oben wird gemangelt, geplättet, zusammengelegt, verpackt. Wir haben dafür eine Zwischendecke einziehen lassen.»
    Die hölzerne Decke hing etwas mehr als zimmerhoch über Henriettes Kopf, vielleicht dreieinhalb Meter. An der dem Eingang gegenüberliegenden Längswand zog sich eine Reihe gemauerter Einweichbecken entlang, voll dampfender Lauge, in der Mitte des Raumes dampften übermannshohe Kessel, in denen Wäsche kochte, an der rechten, schmaleren Rückwand und an der Wand neben dem Eingang standen zwei Reihen eckiger Metallungetüme mit schweren Türen und metallenen Tonnen, deren Deckel mit Bügeln verschlossen waren wie Bierflaschen. Von diesen metallenen Kästen stammten die nassen, rhythmischen Geräusche, welche die Scheune erfüllten.
    «Waschautomaten», erklärte Ida stolz. «Wir testen gerade die erste Serie, bevor Professor Regenmacher sie verkaufen kann.»
    Plötzlich fing eine der Tonnen an zu singen und zu zittern, immer höher und höher schraubte sich der Ton hinauf, begleitet von saugenden, vage unanständigen Geräuschen.
    Ida hatte Henriettes erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkt.
    «Das ist eine Schleuder, eine Weltneuheit. Das Wasser wird durch die Gummischläuche da abgepumpt», schrie sie über den Lärm hinweg.
    «Was setzt sie in Gang?»
    Ida musste sich weit zu Henriette herüberbeugen, um sie verstehen zu können.
    «Im Moment Elektrizität. Aber der alte Herr arbeitet schon an etwas Besserem, sagt Mutter. Es ist fast fertig, und dann machen wir ein Vermögen. Heinrich Pflogs Waschautomaten erobern die Welt», deklamierte Ida und drehte eine Pirouette, mit der sie die Wundermaschinen ihrem Publikum präsentierte.
    «So etwas habe ich noch nie gesehen», sagte Henriette.
    «Das gibt es auch nirgends sonst», sagte Ida schlicht. «Sie nehmen uns eine Menge Arbeit ab. Aber es bleibt trotzdem noch genug zu tun. Wir kochen und trocknen und mangeln und bügeln Weißwäsche von früh bis spät. Sämtliche Hotels, Krankenhäuser und Kinderheime in der Umgebung lassen von uns waschen. Da kommt eine Menge zusammen.»
    Henriette drehte sich langsam um sich selbst, nahm die Geräusche und Gerüche auf, überall

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