Kaltes Herz
war Dampf und ein Stampfen und Pumpen, alles war feucht und heiß und roch nach Salz und Seife und nach etwas Scharfem, und zwischen den zitternden Maschinen und zuckenden Schläuchen liefen zwei weitere Mädchen herum, schleppten Wäschekörbe, räumten fertige Maschinen aus und leere Maschinen voll und nahmen von Henriette und Ida überhaupt keine Notiz.
«Die Wäsche, die reinkommt, ist oft sehr widerlich», schrie Ida Henriette ins Ohr. «Wir benutzen Desinfektionsmittel. Das macht zwar die Haut kaputt, aber dafür werden wir wenigstens nicht krank.» Sie zeigte Henriette ihre rissigen Hände.
Dann rief sie laut: «He, kommt doch mal rüber hier!»
Zwei rotblonde Schöpfe unter weißen Hauben drehten sich zu Henriette und Ida herum, mit neugierigen Gesichtern kamen die Mädchen näher, schüttelten mit ebenfalls rauen Händen Henriettes weiche Stadtmädchenhand.
«Das ist Hetti, von der der Professor erzählt hat. Sie bleibt eine Weile. Und das ist Katharina, die Älteste. Und Maria, die Kleinste.»
«Ich bin schon elf!», sagte Maria.
Sie war noch ganz kindlich und niedlich mit ihrem molligen Gesicht, und sie sah Ida ähnlicher als Katharina, die schon erwachsener wirkte, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, und ein schmales, scharfgeschnittenes Gesicht hatte. Sie wirkte mürrisch, wie ihre Mutter.
«Die beiden schlafen rechts von uns», sagte Ida. «Wo sind die Zwillinge?»
«Plätten», sagte Katharina. «Hotel Dreieichen muss heute Abend noch raus.» Dann wandte sie sich Henriette zu. «Wir können gut noch zwei Hände mehr gebrauchen hier. Also willkommen.»
Ida zog Henriette weiter, und sie kletterten eine knarrende Stiege ohne Geländer an der Rückwand der Scheune hinauf.
Als sie außer Hörweite waren, wandte Ida sich zu Henriette um und lachte.
«Sie denkt, dass du zum Arbeiten hergekommen bist.»
Henriette sagte nichts, aber sie hatte das Gefühl, dass es genau darauf hinauslaufen würde, und sie hatte auch gar nichts dagegen.
Nur herumzusitzen, während alle anderen etwas taten, wäre ihr schäbig vorgekommen. Zudem, wenn sie arbeitete, dann hätte sie weniger Zeit zum Grübeln, und außerdem mochte sie diese überdimensionierte Waschküche. Die ineinandergreifenden Klänge der Maschinen faszinierten sie, sie hatten eine eigene, zufällige Musikalität. Die einzelnen Geräusche blieben jedes für sich rhythmisch gleichförmig, aber die Taktzahl jedes Elements war ein wenig anders, sodass die Geräusche sich zu immer neuen, komplexen Mustern ordneten. Maschinenmusik, dachte Henriette, und der Gedanke war so neu und aufregend, dass sie Charlie davon erzählen wollte. Sie hatte nie wirklich mit ihm übers Komponieren geredet, war Gesprächen über ihre Arbeit ausgewichen. Jetzt bedauerte sie dieses Versäumnis. Sie war sich sicher, dass er verstehen würde, was sie hier hörte. Es war Musik aus der Zukunft, und eine ganz eigene Aufregung erfasste Henriette bei diesem Gedanken. Wenn man diese maschinellen Geräusche nutzen könnte …
«Und das hier sind die Plättstuben», sagte Ida.
Im oberen Teil der Scheune war es ebenso warm wie unten bei den kochenden Waschmaschinen, aber es war trocken, und die Luft reizte Henriettes schmerzenden Hals nicht so stark zum Husten wie der Dampf.
Während unten alles laut und gewaltig gewirkt hatte, so erschienen Henriette die Plättstuben still, adrett und bescheiden. Es gab kleine quadratische Fenster mit sauberen Gardinen davor, die auf der einen Seite in den Hof hinunter-, auf der anderen Seite in eine flache Landschaft mit Wald und Feldern hinausblickten. Vier Tische standen im Raum, mit schweren Plätteisen, die auf Steinplatten standen, damit sie die glänzenden Tischplatten und die Bügeltücher nicht verbrannten. Außerdem waren da ein Holzofen, auf dem die Eisen erhitzt wurden, drei Mangeln in verschiedenen Größen und stapelweise exakt gefaltete weiße Laken auf einem langen Tisch.
Und dahinter zwei Mädchen mit weißen Baumwollhandschuhen, die gerade gemeinsam ein Tischtuch glatt zogen und es zwischen sich Ecke auf Ecke zusammenlegten. Die Mädchen waren einander so gleich wie die Ecken des Tischtuchs, und sie erschienen ebenso blütenweiß und rein.
«Das sind Ernestine und Hulda, die Zwillinge.»
Die beiden Mädchen, die zwölf oder dreizehn Jahre alt sein mochten, waren, anders als Maria, an der Schwelle zum Erwachsenwerden, und sie waren mit Abstand die hübschesten der Pflog-Mädchen. Henriette dachte, man könnte sie, so
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