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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Freise
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war wund, und doch konnte er nicht aufhören. Er hatte nicht gewusst, wie es schmerzte, wenn einem das Herz zerriss. Und er wusste bei Gott, was Schmerzen waren. Aber keiner hatte je so tief in seinen Leib gegriffen. Er hatte sie gesehen, es war Johanne. Dieselbe Johanne, die er im Wald gesehen hatte. Doch diesmal war sie nicht allein gewesen. Sie hatten sich geküsst, sie hatte dagestanden, er hatte sich an sie gepresst, hatte sie in Besitz genommen, und sie hatte es geschehen lassen. Wie alt war sie? Wann war das gewesen? Wann hatte sie ihn betrogen? Geschah es jetzt, oder hatte er eine Szene aus der Vergangenheit gesehen? War es gewesen, bevor Heinrich sie kennengelernt hatte? Was, wenn sie ihn nie kennenlernen würde, weil er hier nicht rauskonnte?
    Heinrich wollte all diese Fragen hinausschreien, wollte, dass sie antwortete, aber aus seiner Kehle kamen immer nur diese unmenschlichen Laute, und er hasste sich dafür, er hasste die Maschine dafür. Alles geriet aus den Fugen.
    Und dann wurde Heinrich ganz ruhig. Es war im Grunde ganz einfach, er wusste, was zu tun war. Alles würde wieder an seinen richtigen Platz zurückfallen. Heinrich blickte die Maschine an, lauschte auf das Rollen der Walze, auf das Knarren und Reiben der Räder und Bolzen. Es war lächerlich einfach. Er musste sie nur abschalten. Das war alles. Wenn er die Verbindung zu jenem Ort unterbrach, an dem alles seinen Anfang nahm, dann würde es nicht mehr geschehen. Was immer es war, das geschah.
    Heinrich ging hinüber, das überanstrengte Bein nachziehend, er fasste den Hebel, der die Energiezufuhr unterbrechen würde, löste den Sicherheitsriegel und legte sein gesamtes Gewicht in die Bewegung. Der Hebel bewegte sich nicht.
    Erneut nahm Heinrich seine gesamte Kraft zusammen, schrie, als wolle er mit einem Ruck das ganze Haus hochheben. Putz bröckelte von der Decke und rieselte ihm auf den Kopf und in den Kragen. Der Hebel musste sich durch die Bewegung der Maschine verzogen oder verkeilt haben. Die Walze rollte weiter. Am Ende jedes Walzgangs gab es einen Ruck, der die Maschine an ihren Verankerungen reißen ließ, und je mehr Heinrich sich anstrengte, den Hebel umzulegen, desto entschlossener schien die Maschine an ihren Fesseln zu zerren. Stirb, wollte Heinrich der Maschine befehlen, gib Ruhe, lass ab!
    Die Maschine arbeitete weiter.
    Heinrich fiel auf die Knie und schlug mit der Stirn auf den Boden. Es musste aufhören, es musste aufhören! Dann stand er auf, streifte suchend durch den Saal, warf Werkzeuge und Latten als unbrauchbar beiseite, er brauchte etwas, womit er den Mechanismus blockieren konnte. Schließlich bekam er einen guten Meter Stahlrohr zu fassen. Damit kehrte Heinrich zur Maschine zurück, rammte es in die sich drehenden, pumpenden, pendelnden Eingeweide.
    Die Maschine schrie auf, kam ins Stocken, nur nicht für lange, denn dann hatte sie das Stahlrohr zerkaut und verdaut und schien mit umso mehr Kraft fortfahren zu wollen.
    Heinrich schrie die Maschine an. Schrie und schrie sie an.
    Es fiel ihm nicht ein, was er sonst hätte tun können.

[zur Inhaltsübersicht]
    14
    E s war vier Uhr siebzehn am Nachmittag. Der Bote betrat das Haus und verließ es kurz darauf wieder. Charlie wartete im Schatten des nächsten Eingangs. Um vier Uhr fünfundzwanzig verließ Ada Keller die Wohnung, eilte die Straße entlang und bog Richtung Linden ab, wo sie sich wahrscheinlich eine Droschke nehmen oder in den Bus steigen würde, der Richtung Friedrichstraße fuhr. Charlie kümmerte es nicht. Sobald er außer Sicht war, glitt er aus dem Hauseingang hervor, drückte die Tür der Nummer sieben auf, ging durch den Hausflur und zur Hoftür wieder hinaus. Im Hof wandte er sich nach links. Die Tür des Seitenflügels stand offen und war eingehakt, die Dunkelheit dahinter roch kalt und klamm, als sei das Haus noch nicht richtig trockengewohnt, die hölzernen Treppenstufen waren nicht mit Teppich ausgekleidet, die Türen waren schmaler als im Vorderhaus. Erster Stock, der Dienstboteneingang.
    Charlie zögerte. Er wusste nicht, wie viel Zeit ihm Altheim verschaffen konnte. Er wollte es auch gar nicht wissen. Er musste sich einfach beeilen. Charlie zog den Schürhaken, den Altheim ihm für diesen Zweck geborgt hatte, oben aus dem Hosenbund und zwängte das abgeplattete Ende knapp über dem Schloss zwischen Tür und Blatt. Ein kurzer, viel zu lauter Ruck, dann noch einer, diesmal kräftiger, und das Schloss brach heraus. Die Tür schwang nach

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