Kaltes Herz
Sie», sagte Professor Altheim. «Er hat nichts getan. Außerdem sollten Sie sich anhören, was ich Frau Keller zu sagen habe. Ich gebe einen Kaffee aus. Setzen Sie sich bitte wieder. Ich bitte Sie.»
Frau Keller blickte unbehaglich drein, als Altheim sie am Ellenbogen nahm und sie sanft zu ihrem Stuhl zurück bugsierte.
«Na, Kaffee lasse ich mir nicht zweimal sagen», sagte der Polizist, setzte sich ebenfalls, ohne dabei Willems Kragen loszulassen. «Keine Fisimatenten, Bürschchen.»
«Klar», sagte Willem, begann aber wieder, sich nach Fluchtmöglichkeiten umzusehen.
«Nun denn.» Professor Altheim schien sich zu sammeln.
Dann wandte er sich an den Kellner, der noch immer diensteifrig dabeistand.
«Drei Tassen Kaffee bitte.»
Alle Augen waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet, selbst die des Geschäftsführers.
«Vier Tassen», sagte dieser zum Kellner, setzte sich ebenfalls an den Tisch und fügte hinzu, «der Kaffee geht aufs Haus.»
Altheim nickte und begann. Seine Stimme war fest, sein Blick unerbittlich.
«Charles Peter Jackson und ich sind gemeinsam zu der Ansicht gelangt, dass Sie, Frau Keller, eine Entführung vertuschen. Ihre Tochter ist in Gefahr, und Sie werden von dem Entführer erpresst. Dies ist der Grund für all Ihre Drohungen, Ausflüchte und Lügen. Wir sind der Ansicht, dass in Ihrer Wohnung die entscheidenden Beweise zu finden sind, die Sie verheimlichen, in der Hoffnung, das Ihrer Tochter nichts geschehen wird, solange Sie die Bedingungen des Entführers erfüllen.»
Frau Keller sagte nichts, aber sie zwinkerte nervös, und um ihren Mund zuckte es.
«Meine Aufgabe, Frau Keller, ist es, Sie zu beschäftigen, bis Mister Jackson die entsprechenden Beweise ausfindig gemacht hat. Mit diesen wären wir dann zur Polizei gegangen, um für die Befreiung Ihrer Tochter zu sorgen.»
Frau Keller war bleich geworden, und Willem frohlockte innerlich. Professor Altheim hatte sie, es gab kein Entkommen!
«Uns ist natürlich mehr als deutlich, dass Sie selbst diesen Gang nicht tun konnten, das liegt in der Natur einer Erpressung. Dennoch, und da wird mir der Herr Wachtmeister sicher beipflichten, dennoch ist es im Falle einer Entführung absolut unumgänglich, die Behörden einzuschalten.»
Altheim blickte den Polizisten an. Der nickte und bedeutete Altheim fortzufahren.
«Der Junge sollte uns bei unserer Unterredung beobachten, um Mister Jackson warnen zu können, sobald Sie von hier aufbrechen, und …»
Frau Keller hatte sich zu voller Größe und Breite aufgerichtet.
«Wollen Sie damit sagen, es gibt gar keinen Brief?»
«Er war lediglich ein Vorwand, um Sie aus dem Haus zu locken.»
«Das bedeutet, dass dieser Jackson, bewiesenermaßen ein Dieb und Betrüger, sich ebenjetzt in meiner Wohnung befindet und meine privaten Sachen durchwühlt?»
«So ist es, Frau Keller.»
Frau Kellers Miene war schwer zu deuten, Willem wusste nicht, ob sie einen Wutanfall bekommen oder anfangen würde zu weinen.
Zu seiner Überraschung brach sie in schallendes Gelächter aus.
«Herr Professor Altheim, Sie sind, ebenso wie meine Tochter und wie offenbar auch dieser Junge, einem gewieften Betrüger auf den Leim gegangen! Henriette wurde nicht entführt. Ich selbst habe sie, zu ihrem eigenen Besten und um sie von diesem Subjekt fernzuhalten, zu meiner Schwester aufs Land gebracht. Zu ihrer leiblichen Tante. Wenn Sie verstehen wollen.» Frau Keller wandte sich an den Polizisten. «Er ist gefährlich, er hat meiner Tochter unverhohlen nachgestellt.»
Der Polizist räusperte sich, die Pranke immer noch an Willems Kragen.
«Wo wohnen Sie, Frau Keller?»
«Brüderstraße sieben.»
«Dann schlage ich vor, wir nehmen einen Dienstwagen. Das geht am schnellsten.»
Er zog Willem hinter sich her, und der sah seine letzten Chancen, Mister Jackson warnen zu können, schwinden. Vor der Tür stand ein nagelneues schwarzes Automobil mit einer Kurbelsirene vorne. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre Willem überglücklich gewesen, mitfahren zu dürfen.
Aus der Wohnung schlug Charlie ein verlassener Geruch entgegen, und als er an der Mädchenkammer, der Wäsche- und der Speisekammer vorbei war und durch die hintere Flurtür in eine große, lichtarme Küche trat, wurde ihm klar, woran das lag. Es roch nach Staub und Papier, weil überall Kisten herumstanden, in die Töpfe und Pfannen, Teller und Tassen verstaut worden waren.
Die Arbeit war noch nicht ganz vollbracht, aber es war deutlich, dass Frau Keller im Begriff
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