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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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erwidere so kühl wie es mir möglich ist: »Du kannst den Wald auch nicht zur Ausgeburt des Bösen erklären, nur weil man aus seinem Holz Speere gezimmert hat.«
    »Du stiehlst Trojanow.«
    »Nur beinahe. Schließlich kann man auch Möbel für unser Wohlbefinden daraus herstellen. Und das ist in jedem Fall etwas Gutes.«
    »Nur, wie viele entscheiden sich für das Wohl? Macht ist doch viel reizvoller.«
    Ich beschließe diesen Schwachkopf hier in seiner dunklen Ecke sitzen zu lassen und endlich ein wenig Schlaf nachzuholen. »Du bist ein Idiot, James. Und ich bin sicher, das ist keine neue Erkenntnis für dich. Schlaf gut.«
    »Gute Nacht, ›Victorian Girl‹ .«
    Aus seiner Stimme höre ich ein spöttisches Lachen heraus, aber ich bin müde und kann mich auch irren.
    Es ist schon irgendwie Horror, wie er da sitzt, mit glasigem Blick, die langen Finger wie gierige Krallen in die Sessellehne gegraben, wirr vor sich hinmurmelnd. Und das Schlimmste ist, dass er dabei goldene Slipper trägt.

›Die Drei‹ und die einsame Seele
    Secretary Salamander, Lüstling, Sympathisant des blutjungen Fleisches und verlogener Verleumder, liegt mit geschlossenem Brustraum und fast schon obszön makellosem Hals vor uns. Er hat nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit einem in wüster Raserei angefallenen Kadaver. Die Leiche ist perfekt, sogar für meine Verhältnisse. Gedankenverloren inspiziere ich den Körper, indem ich um ihn herumlaufe, ihn leicht anhebe, die geklebten Hautränder streichle.
    Heute Morgen hat jemand – etwas – an meiner Tür geschabt. Da ich der Vorsicht halber die Tür so verkeilt hatte, dass niemand ohne rohe Gewalt anzuwenden eindringen konnte, habe ich ruhig abgewartet und meinen Schuh als Waffe griffbereit neben mich gelegt. Bald wurde das Kratzen am Schlüsselloch zu einem sanften Rütteln am Türgriff. Dann Stille. Ich gestehe, ich bin kaum merklich zusammengezuckt, als ein dumpfer Schlag gegen das Holz erfolgte. Die wütende Bekundung eines Erfolglosen. Seine Enttäuschung diente meiner Belustigung und die letzte Stunde habe ich lächelnd an meine Liebste gedacht. Mein Gesicht schmerzt, es ist einfach zu ungewohnt.
    Beinahe zärtlich fährt meine Hand über die kalte, knisternde Haut. Sie zieht sich, nach der Zeit, die sie in der Kühlung gelagert worden ist, wie dünnes Wachs über das Ske- lett, den Schädel. Die Augenlider sind leicht nach innen gesunken, die Lippen nicht mehr als ein trockener, dünner Strich. Das noch volle Haar fühlt sich drahtig an, starr wie trockene Gräser.
    Als ich den Blick hebe, sehe ich einen Wahnsinnigen mit kaltem Blick, auf dessen Lippen noch letzte Reste des glücklichen Lächelns stehen, der in diesem Moment jedoch eher irre wirkt. Schräg hinter mir steht James, leicht vornübergebeugt. Seine Augen sind blutunterlaufen, das Haar strähnig. Schweiß rinnt über sein Gesicht. Er ballt die langen Finger zu Fäusten und spreizt sie gleich darauf wieder, bis die Fingerknöchel laut knacken. Halb wende ich mich zu ihm um. »Was ist?«
    Zögernd senkt er den Blick, fängt an, das Besteck in die Schränkchen zu ordnen. »Wir konnten ihn nicht fixieren. Wir haben nichts falsch gemacht.«
    Ich mustere den Toten genau. »Aha. Verstehe. `Das haben wir immer so gemacht´«, äffe ich ihn nach.
    Stumm schüttelt er den Kopf. Eine Weile beobachte ich ihn noch bei seinen Aufräumarbeiten, dann mache ich mich auf den Weg nach oben.
    »Test bestanden, würde ich sagen«, meint James, in der Tür zum Wohnzimmer lehnend, in dem ich mit einem originalen Single Malt das Aroma der guten alten Heimat genieße. Wäre ich mitfühlend genug, hätte ich Mitleid mit dem hageren Mann, der dort kraftlos lehnt und seine letzten Stunden zählen kann. Es liegt mir auf der Seele zu fragen, ob er sein Schicksal bereits kennt. Und wieso bringt er mir mit einem Mal eine solche offensichtliche Feindseligkeit entgegen? Ich lade ihn mit einer knappen Geste ein, sich zu mir zu setzen. Er fixiert mich noch eine Weile aus dem Schatten seines Haares, dann kommt er auf mich zu, schleichend wie eine Raubkatze.
    Es ist dämmerig in dem großen Raum. Von James´ Gesicht sehe ich lediglich zwei nadelfeine leuchtende Punkte anstelle seiner Augen. Da ich mit dem Licht sitze, werden ihm meine Züge dafür umso offener dargeboten. Nur gut, dass ich ein angeborenes Pokerface habe. Ich erhebe mich, um ihm auch etwas zu holen.
    »Was trinkst du?«
    »Zyankali.«
    Er nimmt das Glas, das ich ihm reiche, riecht kurz

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