Kaltgeschminkt (German Edition)
eine kleine Holzkabine. Die Sauna. Höflich klopfe ich gegen die hölzerne Wand.
Von drinnen tönt James´ Stimme. »Komm rein«, sagt er.
Unentschlossen stehe ich davor, öffne die Kabine einen Spalt. Stickiger Wasserdampf rollt mir entgegen. Ich knöpfe mein Hemd auf und wage mich in die feuchte Hitze. James sitzt auf der unteren Bank, die Ellbogen lässig auf die obere gestützt. Sein Lächeln ist wieder ganz das alte. Trotzdem sehe ich mich vor. Auch ich lerne ab und an dazu. In Sekundenschnelle klebt mir der Stoff an der Haut. Ärgerlich streife ich es ab und klatsche es demonstrativ neben ihm auf die Bank.
»Ich hatte das Bedürfnis nach einer Reinigung«, meint er. Mit den Fingern streicht er sein halblanges Haar zurück und sieht mich herausfordernd an. Ein wenig fühle ich mich wie die Ratte im Roulette. »Da ist was, das ich dir sagen will. Nicht muss , Alter. Also, setz dich. Bitte.«
Ich nehme, meinen Bauch so gut es geht eingezogen, Platz.
»Scheinbar ist meine Zeit abgelaufen. Dabei habe ich eines nicht vergessen, das dir vielleicht entfallen ist, mein Freund.«
»Nämlich.«
»Dass auch du austauschbar bist.«
Recht hat er.
»Früher oder später werden sie das auch tun, dich austauschen. Bei deinem Durchhaltevermögen eher früher.«
Irritiert denke ich zuerst, dass er von meiner ersten intimen Nacht mit Rachelle spricht. Woher allerdings sollte er das schon wissen? Sie wird es ihm kaum gesagt haben. Und allzu schlecht muss ich mich auch nicht machen – immerhin habe ich bis zum angemessenen Moment durchgehalten.
»Daher denke ich, ist es nur fair, wenn wir uns gegenseitig ein bisschen stützen. Schließlich sitzen wir beide ja im selben Boot.«
Schweigen bringt die Leute immer zum lamentieren. Wir mustern uns eine Weile vorsichtig. James gibt wie immer zuerst auf.
»Ich schlage dir einen Pakt vor. Unter der Voraussetzung, du erzählst mir einfach, was dir im Pandämonium passiert ist.«
Schnell rechne ich meine reale Chance aus, ihm überzeugend ein Ammenmärchen aufzutischen. »Bist du ein Leser von Milton?«, frage ich statt einer Antwort, denn er nannte die Hauptstadt der Hölle oftmals so. Pandämonium. »Damit setzt du voraus, dass es lediglich eine Hölle gibt und keinen Himmel, Nirwana oder Walhall.«
Er wartet ab. Dann rutscht er unruhig umher. »Wie würdest du es sonst nennen, in einem miefigen Schlammweiher aufzuwachen, nachdem du stockbesoffen aus dem ›Kir‹ gekrochen bist? Du traust dich kaum zu atmen, weil du nicht bemerkst, ob du unter Wasser bist oder dir im Delirium deine Wahrnehmung einen Streich spielt. Erst später merkst du, dass du sowieso nicht atmen kannst, weil du keinen Sauerstoff mehr in deinen Lungen hast. Ein Scheißgefühl. Und sehen kannst du sowieso nichts, außer einem beschissenen abgefuckten Wald, und Stimmen hörst du, die nirgendwo her kommen. Alle, die auch dort sind, sehen dich und sprechen mit dir, nur du kannst nichts sehen oder sagen. Weil deine Augen verklebt sind, nur unscharfe Schemen auf deine inneren Lider projizieren und deine Stimmbänder irgendwann abgekackt haben.«
Erregt schnappt er nach Luft. Verrückt, wie präzise er mein Erlebnis wiedergeben kann. Dennoch entschließe ich mich, abweisend zu bleiben.
»Netter Trip. Und der rechtfertigt, warum du an Leichen herumdokterst und seltsamerweise der Einzige zu sein scheinst, der spezielle Aufträge für obskure Obrigkeiten anfertigst? Recht krank das alles, nicht?«
Mord spricht aus seinen Augen. »Lass endlich deine Spielchen! Ich weiß, dass du auch dort warst –«
»Und woher? Waren wir zusammen auf Opium? Wohl kaum!« Meine Toleranzgrenze ist erreicht. Ich habe keine Lust mehr auf Schauergeschichten.
»Man ist heutzutage nicht mehr auf Opium«, meint James nüchtern. »Hat sie es zugegeben?«, fragt er dann unvermittelt.
Einen Moment wühle ich in meinen Gedanken, bis ich seinen Gedankensprung nachvollziehen kann und an Rachelle denke.
»Nein. Ich habe sie direkt gefragt, ob es wahr ist. Sie hat es nicht geleugnet. Ihr seid doch alle krank.«
»Und du bist völlig normal, was? Halt dich von ihr fern, so wie ich das damals gemacht habe.«
»Du hast sie verletzt. Und das mit Absicht.«
»Hast du nicht gelesen, was sie mit einem machen?«
»Doch. Ist mir egal.«
Er schnaubt verächtlich durch die Nase. »Das kann es nicht! Du gibst deine Lebensenergie für sie, kapiert? Sie nehmen ihre weiteren Jahre und die nötige Jugend von deinem Blut. Du bist ihre Tankstelle. Los
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