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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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Dinge schriftlich in einem versiegelten Briefbogen fest. Die, an die du dich auf jeden Fall erinnern möchtest. Und damit du mir nachher auch glaubst, machen wir ein hübsches Foto von uns beiden.« Sie setzt sich vor den kleinen Ofen und starrt in die tanzenden Flammen. »Wir machen es genau so«, wiederholt sie wieder und wieder.
    Sie streicht abwesend mit den Fingern über den kleinen Fotoapparat und das edle Schreibset mit einem Typar in Form eines Halbmondes und Siegellack, das auf dem Boden liegt.
    »Komm her«, fordert sie mich auf.
    Ich kippe meinen Gin Tonic hinunter und lasse mich neben ihr nieder. Die nächste Stunde listen wir wichtige Punkte aus meinem bisherigen Leben auf zwei Seiten Büttenpapier. Ich möchte mich daran erinnern, dass ich mich umbringen wollte, an die Rüpel im Pub in Edinburgh – zur Sicherheit, damit ich sie künftig meiden kann. Mein Manor und der Weg dorthin, das Ehepaar Storm werden ebenfalls verewigt. Rhona, meine gefühlssadistische Ex, Miller und sein Ableben eher nicht – wir lassen sie als ungenutzte schwebende Flecken im Tintenfass zurück. Sowie meine Arbeit. Auch sie sollen nicht länger Teil davon sein.
    Wir skizzieren, formulieren und versiegeln endlich mein neues Leben, verjagen das alte mit dem weise lächelnden Mond. Danach schießen wir ein Foto von uns beiden. Eines auf dem ich sie fest in meinen Armen halte und sie auf die Schulter küsse. Sie druckt das Bild aus und ich betrachte verblüfft den ungewohnt liebevollen, glücklich lächelnden Mann neben der schneewittchenhaften Schönheit. Auch das Foto wandert in einen Umschlag, den der Mond schützend verschließt. Beides verstaut sie in einer flachen Schachtel. Den winzigen Schlüssel zu dem puppenhaften Schloss hängt sie mir an einer Kette an die Weste.
    Sie sieht mich an und meint schließlich: »Keiner der drei Todesherrscher will der Seele übel mitspielen, weißt du? Jeder für sich hält seine Methode schließlich für die fairste.«
    Wir lamentieren noch ein wenig, was der Herr des Chaos wohl an der ewigen Sühne gerecht finden soll und warum die sanfte Gaja den Geist des Menschen mit einer ganz eigenen Hölle lockt, die man sich selbst schafft, wenn man nicht gut achtgibt, was man von ihr verlangt. Nur die Einsame Trinität ist kein Rätsel für uns, denn er bestimmt als einziger nach dem Prinzip von Wiegen und Messen. Letztendlich ist uns beiden aber klar, dass jede der drei Abzweigungen im Pandämonium zu ein und derselben Hölle führen, diese nur jeweils unterschiedlich definiert werden. Die ewige Sühne, der goldene Käfig, erneut leben müssen in … der Henker weiß was für einem Zustand.
    Wir sehen uns an.
    »Und was machen wir jetzt?«
    Wir brechen in halsbrecherischem Tempo regelrecht durch das Unterholz der Hansestadt. Meine Geliebte ist ausgestattet mit einem kleinen Köfferchen in der Form eines Sarges, welches bei jedem waghalsigen Lenkmanöver auf der Rückbank des Corsa umher poltert.
    »Du weißt, dass hier auf fünfzig beschränkt ist?«
    »Klar.«
    »Gut.«
    »Ist nur Richtgeschwindigkeit.«
    »Aha.«
    Sie hupt, als ein Mercedes sich in Abwesenheit eines Blinksignals knapp vor uns auf die Spur drängt und nötigt ihn so lange, bis der sich schleunigst einen neuen Fahrstreifen sucht.
    »Idiot! Ich hasse Fahranfänger.«
    Ich verschweige ihr meine These, dass der Fahrer mit ziemlicher Sicherheit genau weiß, wo sich der Blinker in seiner Bonzenkarre befindet.
    Wenige Nahtoderfahrungen später sind wir endlich am Ziel. Das Haus erhebt sich kahl und bedrohlich vor uns in den Abendhimmel. Selbstsicher stapft Rachelle darauf zu. Sie schiebt das Hausportal auf, das seit meiner übereilten Abreise vor wenigen Stunden scheinbar nicht wieder verschlossen worden ist. Alarmiert versuche ich sie zurückzurufen, doch sie ist bereits im Maul des Molochs verschwunden. Ich sperre das Auto ab und folge ihr lautlos. Drinnen ist es dunkel wie in einem Mausoleum – und es klingt auch wie in einem. Unsere Schritte hallen viel zu laut, die meisten Fenster stehen offen, so dass die dünnen Gardinen im schwachen Wind in die Räume hineinwirbeln. Rachelles schwingendes Korsagenkleid verschmilzt wenige Zentimeter vor mir im Dämmerlicht. Nur ihre weißen Arme sind sichtbar. Sie steuert zielstrebig auf die Küche zu. Prompt eile ich an ihr vorbei; für den Fall, dass sie beschützt werden muss. In meinem Rücken bückt sich meine Geliebte nach etwas auf dem Boden. Da steht er. Mit einem Glas Whiskey in der

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