Kaltgestellt
mit einem Seitenblick auf Tweed. »Ich fürchte, ich muss. Ich habe noch ein paar wichtige Papiere durchzusehen. Aber wie Bob bereits sagte: Wir sehen uns sicher in ein paar Stunden wieder.«
»Dann verlassen Sie mich also«, sagte Sharon mit gespielter Enttäuschung.
»Aber nicht für lange. Das brächte ich nicht übers Herz.«
»Tweed«, rief sie ihm hinterher, als er schon auf dem Weg zum Aufzug war. »Dieser unsägliche Ed Osborne wohnt ebenfalls hier im Hotel. Ich dachte, das würde Sie vielleicht interessieren.«
»Dann wäre das Wolfsrudel ja wieder beisammen.«
»Ich hätte es gern, wenn Sie beide noch auf einen Sprung mit in mein Zimmer kommen würden«, sagte Tweed, als sie im Aufzug waren. »Wir müssen uns noch einen Plan für den Notfall zurechtlegen.« Tweed schloß sein Zimmer auf und ließ Paula als Erste hineingehen. Sie sah sich um und stieß einen leisen Freudenseufzer aus.
»Was für ein hübsches Zimmer. Der reine Luxus.« Sie setzte sich aufs Bett und prüfte die Matratze. »Wunderbar. Wenn Sie nicht aufpassen, schlafe ich Ihnen hier auf der Stelle ein.«
»Kein Problem. Dann bringe ich eben meine Sachen auf Ihr Zimmer. Ich habe ohnehin nicht vor, viel auszupacken.«
»Was halten Sie davon, daß Ed Osborne hier ist?«, fragte Paula.
»Wir wußten ja, daß er nach Freiburg kommen würde, aber eigentlich wollte er doch im Schwarzwälder Hof absteigen.«
»Sie haben ja gehört, was ich vorhin zu Sharon gesagt habe.«
»Ja, und das hat mir zu denken gegeben. Im Aufzug haben Sie von einem Notfallplan gesprochen. Ich vermute, Sie meinen damit, daß wir uns für einen unvermittelten Aufbruch bereithalten sollten. Ich für meinen Teil habe vor, mich ganz kurz unter die Dusche zu stellen, mir frische Unterwäsche anzuziehen und dann zu Bett zu gehen. Außerdem lege ich mir warme Kleidung und Stiefel zurecht. Ich glaube, es wird sehr kalt werden.«
»Eiskalt«, ergänzte Newman.
»Paula hat erkannt, worum es mir geht«, sagte Tweed und setzte sich auf einen Stuhl. »Wir müssen jederzeit aufbruchbereit sein. Vermutlich wird Marler es als Erster mitbekommen, wenn die Amerikaner die Stadt verlassen. Drüben im Schwarzwälder Hof sind sehr viel mehr von ihnen abgestiegen als hier.«
»Dann warten Sie also auf einen Anruf von Marler?«, fragte Newman.
»Ja. Als er ans Auto kam, um uns die Waffen zu geben, habe ich ihm Becks Mobiltelefon zugesteckt.«
»Und was ist, wenn Beck Sie anruft?«, wollte Paula wissen.
»Dann kann Marler die Nachricht entgegennehmen und sie mir überbringen. Ich vermute, daß Ronstadt schon morgen – das heißt heute – aufbrechen wird. Falls ihm nicht etwas dazwischenkommt.«
»Hoffen wir mal, daß das der Fall sein wird«, sagte Paula und stand auf. »Ich jedenfalls reiße mich nicht gerade darum, so bald wieder auf Achse zu sein. Ich würde lieber etwas Schlaf nachholen. Außerdem habe ich das Gefühl, daß Sie alle zusammen ein Auge auf Sharon geworfen haben.«
»Welcher Mann würde das nicht tun?«, sagte Tweed mit einem schiefen Lächeln. »Sie ist wirklich eine sehr bemerkenswerte Frau.«
»Rechnen Sie morgen früh nicht mit mir. Ich werde mir mein Frühstück aufs Zimmer bringen lassen. Ich könnte es nicht ertragen, diesen Ed Osborne zu sehen. Als wir die Bar im Hotel Drei Könige verlassen haben, hat er so fürchterlich geschaut.« Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Als ob jeden Moment die Welt untergehen könnte.«
»Vielleicht tut sie das ja auch bald«, sagte Tweed.
»Haben Sie schon eine Vorstellung davon, wo im Schwarzwald die Amerikaner hinfahren könnten?«, fragte Paula, die schon die Türklinke in der Hand hatte. »Ins Höllental. Kurt Schwarz hat es in seinem kleinen schwarzen Notizbuch erwähnt.«
»Klingt richtig anheimelnd. Grüßen Sie Marler schön von mir, wenn er anruft.«
Marler hatte keine große Mühe gehabt, den drei schwarzen Audis hinterherzufahren, obwohl die Route alles andere als unkompliziert gewesen war. Kurz nach der Kreuzung waren sie in ein verschlungenes System von Einbahnstraßen geraten, an dem Marler erkannt hatte, daß sie die Altstadt erreicht hatten. Jahrhunderte alte Häuser standen beiderseits schmaler Straßen, die von kleinen Laternen nur schlecht erleuchtet wurden. Tiefe Schatten wechselten sich mit in helles Licht getauchten Abschnitten ab. Viele der Straßen hatten Kopfsteinpflaster, auf dem die Reifen des langsam fahrenden Wagens rumpelnde Geräusche von sich gaben. Vor sich sah Marler die
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