Kaltgestellt
das.«
Als Marler mit dem Essen fertig war, rief er den Kellner. »Wie kalt ist es draußen?«, fragte er überflüssigerweise, aber so laut, daß die Amerikaner es hören mußten. »Ich würde nämlich gern noch etwas frische Luft schnappen, bevor ich ins Bett gehe.«
»Sehr kalt«, antwortete der Kellner.
»Ich werde trotzdem einen kurzen Spaziergang machen«, sagte Marler, während er die Rechnung unterschrieb, die ihm der Kellner auf den Tisch gelegt hatte. Marler stand auf, hängte sich seine Tasche an ihrem Riemen über die Schulter und verließ das Restaurant. Auf einer geschwungenen Treppe stieg er hinauf zu seinem Zimmer, wo er nach einem Versteck für die Waffen suchte. Schließlich entschied er sich für einen Wäschekorb im Badezimmer, in den er die Tasche hineinstellte und mit ein paar zusammengeknüllten Handtüchern bedeckte. Nachdem er den Deckel des Wäschekorbs wieder geschlossen hatte, hängte er seinen Mantel in den Schrank. Marler war nicht sehr empfindlich gegenüber Kälte, und ein Mantel würde seine Bewegungen nur unnötig behindern. Als er wieder unten war, ging er quer durch das Restaurant zu einer Tür an dessen hinterem Ende, die hinaus auf eine schmale Gasse führte. Kaum hatte Marler die Tür hinter sich geschlossen, wandte sich drinnen im Restaurant Vernon an Bernie.
»Geh ihm nach und mach ihn fertig«, flüsterte er seinem Untergebenen ins Ohr.
»Aber sieh zu, daß es nicht allzu nahe am Hotel passiert.«
»Das kann ich nicht, Vernon. Ich bin doch nur ein Drucker.«
»Bernie, jetzt hör mir mal gut zu. Als du zu unserer Truppe gestoßen bist, hat dich Jake nach Philadelphia geschickt, um einen Typ kaltzumachen. Das war ein Test, den Jake mit allen Neulingen macht. Er will, daß sie mit einer Waffe umgehen können, wenn es hart auf hart kommt. Du hast den Typ in Philadelphia erledigt, und genauso wirst du jetzt diesen Kerl beseitigen. Wozu schleppst du denn sonst deinen Revolver mit dir herum?«
»Alles klar, Vernon. Kriege ich etwas extra dafür?«
»Darüber reden wir später. Jetzt mach erst mal deine Arbeit.« Nachdem Marler die Restauranttür hinter sich geschlossen hatte, blickte er hinauf zu dem Straßenschild an der gegenüberliegenden Hausmauer. Münzgasse war dort im Licht einer Straßenlaterne zu lesen. Die Gasse war mit Kopfstein gepflastert und leer. Mit langsamen Schritten begann er sie entlangzugehen. Eine genaue Kenntnis der Umgebung des Hotels könnte sich später einmal vielleicht als nützlich erweisen. Es war sehr kalt und sehr still. Kurz vor dem Ende der Gasse blieb er stehen. Links von ihm war ein Cafe, das zu dieser frühen Stunde noch geschlossen war. Im Gehen hatte er Schritte hinter sich gehört. Langsame, vorsichtige Schritte, die Marler nur deshalb bemerkt hatte, weil der Trottel, der ihm folgte, offenbar Schuhe mit Metallbeschlägen an den Sohlen trug. Marler sah sich absichtlich nicht um. Nachdem er die Gasse verlassen hatte, rieb er sich erstaunt die Augen. Vor ihm lag etwas, das er in einer alten Stadt wie dieser nun wirklich nicht erwartet hätte: ein seltsam anmutender Komplex sehr modern wirkender Betonhäuser, der sich an der Flanke eines steilen Hügels emporzog. Die Wohnanlage erinnerte Marler an ähnliche Siedlungen, die er in Amerika gesehen hatte. In der Mitte des Komplexes führte eine breite Treppe mit Betonstufen den Hügel hinauf, über die man zu den in mehreren Ebenen übereinander gestaffelten Häusern gelangte. Hinter der Siedlung waren dunkle, mit dichtem Nadelwald bewachsene Berghänge zu sehen. Sie erinnerten Marler daran, daß sich die Stadt am Rand des Schwarzwalds befand. Jetzt hörte er wieder die Schritte hinter sich, die sich rasch zu nähern schienen. Marler fing an die Treppe hinaufzusteigen. Die Schritte wurden noch schneller. Auf einmal drehte Marler sich ruckartig um und erblickte den kleinen, dünnen Mann, der im Restaurant neben dem Anführer der Amerikaner gesessen hatte. Er trug einen schwarzen Anorak und hielt einen Revolver in der rechten Hand. Marler, der schon fast das Ende der Treppe erreicht hatte, lächelte ihn an.
»Was soll denn das werden, wenn es fertig ist?«
»Wir haben nun mal was gegen Schnüffler.«
»Wieso halten Sie mich für einen Schnüffler?«
»Ich habe Sie schon in Basel gesehen, wie Sie mit Ihrer Freundin Paula Grey aus dem Hotel Drei Könige gekommen sind.«
»Wollen Sie mir damit etwa Angst machen?«, fragte Marler mit einem Blick auf die Waffe. »Ich will Sie damit
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