Kaltgestellt
nicht zurück ins Hotel gehen und Ihren Mantel holen?«
»Kälte macht mir nichts aus. Unter starker Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit leide ich immer viel mehr.« Newman sagte die Wahrheit. In dieser Hinsicht war er wie Tweed, der zwar tiefe Temperaturen, aber keine schwüle Wärme ertragen konnte. Als Denise ein großes Cafe mit Restaurant entdeckte, zog sie Newman am Arm.
»Versuchen wir es da drinnen. Ich möchte, daß Sie aus der Kälte kommen.« Das Cafe war ziemlich altmodisch eingerichtet und hatte eine Decke aus dicken, dunklen Holzbalken. Drinnen saßen einige Pärchen, die wie Einheimische aussahen. Denise nickte und ging auf einen Tisch im hinteren Teil des Raums zu. Newman spürte die Wärme auf Händen und Gesicht und half Denise aus dem Mantel. Dann setzten sie sich.
»Wann haben Sie zum letzten Mal gegessen?«, fragte Newman und griff nach der Speisekarte. »Gestern Abend auf meinem Zimmer im Hotel Drei Könige.«
»Und seither nichts? Verstehe. Wie wäre es mit einem großen Omelett?«
»Klingt wunderbar. Am liebsten mit Pilzen, wenn es hier so etwas gibt. Ansonsten nehme ich auch ein Omelett ohne alles. Und viel Kaffee mit Milch.« Eine Bedienung in karierter Bluse und dunklem Rock erschien. Newman bestellte ein großes Omelett für Denise und ein kleines für sich. Er hatte zwar schon gefrühstückt, aber er dachte, daß sie sich besser fühlen würde, wenn er sie nicht allein essen ließ. Newman vermied es, ihr in die Augen zu schauen, und sah sich statt dessen in dem Cafe um. »Ist Alec auch hier?«, fragte Denise plötzlich. »Alec?«
»Marler.«
»Ach so. Ja, der ist auch bei uns. Tut mir leid, ich war einen Augenblick mit den Gedanken woanders. Aber er ist gerade unterwegs, so daß Sie wohl mit mir vorlieb nehmen müssen.«
»Tut mir Leid, Bob, so war das nicht gemeint. Ich fühle mich sehr wohl mit Ihnen.«
»Das ist schön. Vielen Dank.« Newman redete nichts mehr, bis das Essen kam. Dann wartete er, bis Denise ihr riesiges Omelett bis auf den letzten Rest verspeist hatte. Dazu aß sie viel Brot und trank mehrere Tassen ’ Milchkaffee. Ihr Gesicht, das zuvor noch aschfahl gewesen war, nahm langsam wieder eine gesündere Farbe an. Als sie mit dem Essen fertig war, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und legte eine Hand auf den Bauch.
»So, jetzt fühle ich mich schon viel besser.«
»Sind Sie mit dem Auto aus Basel gekommen?«
»Ja. Es war eine anstrengende Fahrt. Ich habe dann sofort im Hotel eingecheckt.« Sie griff in ihre Handtasche, holte den Zimmerschlüssel daraus hervor und zeigte ihn Newman, damit er die Nummer darauf lesen konnte. Dann ließ sie den Schlüssel wieder in die Tasche fallen. Newman fragte sie, ob er eine Zigarette rauchen dürfe.
»Schenken Sie mir denn auch eine?«, fragte Denise. »Vielen Dank. Hat Alec Ihnen eigentlich über den Autounfall meiner Eltern in den Vereinigten Staaten erzählt?«
»Ja.«
»Sie fragen sich vielleicht, was ich seit meiner Abreise aus dem Drei Könige gemacht habe.«
»Wenn Sie wollen, können Sie es mir ja erzählen.«
»Ich habe nicht einmal Alec über mein Verschwinden informiert. Kein Mensch hat davon erfahren. Ich wußte nicht, wem ich überhaupt noch vertrauen konnte. Vor kurzem habe ich einen Privatdetektiv angeheuert, um den mysteriösen Tod meiner Eltern zu untersuchen. Es ist ein hervorragender Mann namens Walt Banker. Walt hat Jim Briscoe aufgesucht, den zwangspensionierten Sheriff, der mich zu der Unfallstelle geführt hat, und sagt, daß Briscoe inzwischen seine Meinung geändert hat und nun ebenfalls behauptet, es sei ein Unfall gewesen. Walt kam das seltsam vor, deshalb hat er auf irgendwelchen verschlungenen Wegen Briscoes Bankkonto überprüft und herausgefunden, daß darauf kürzlich fünfzigtausend Dollar eingezahlt wurden. Er geht davon aus, daß es sich dabei um Bestechungsgeld handelt, mit dem Briscoe zum Schweigen gebracht wurde.«
»Hat Ihr Detektiv Briscoe denn nach der Herkunft des Geldes befragt?«
»Ja, das hat er. Briscoe behauptet, daß er das von einem Onkel geerbt hat, aber als Walt nach dessen Namen fragte, wurde Briscoe stinksauer und warf ihn hinaus. Ein paar Tage später wäre Walt fast ums Leben gekommen. Ein Wagen hat ihn nur um Haaresbreite verfehlt. Walt hat sich die Nummer gemerkt und nachgeprüft. Es kam heraus, daß es ein Mietwagen von einem Autoverleih aus Washington war.«
»Interessant. Sehr interessant sogar. Was haben Sie jetzt vor? Wollen Sie zurück ins
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