Kaltgestellt
einem meiner Mitarbeiter, der seit einiger Zeit verschwunden ist. Als ich das letzte Mal von ihm gehört habe, war er in Basel.«
»Vergessen Sie nicht unsere Verabredung zum Aperitif.« Newman hatte sich während des kurzen Gesprächs Sharon genau angesehen. Wie üblich war ihre Kleidung ebenso teuer wie geschmackvoll. Sie trug ein rotes Kostüm und hatte einen Schal von Chanel um den Hals geschlungen. Als sie durch die Hotelhalle ging, drehte sie sich noch einmal nach den drei Engländern um.
»Ist dieses Wetter nicht fürchterlich? Drüben in Deutschland sollen wegen des Schnees schon einige Straßen gesperrt worden sein. Packen Sie sich bloß gut ein, wenn Sie rausgehen.« Während Tweed an der Rezeption eincheckte, sah sich Paula in der weiträumigen Empfangshalle um, an die sie sich von ihrem letzten Besuch her noch gut erinnern konnte. In ihrem hinteren Teil standen einige niedrige Tische mit gemütlichen Sesseln und Sofas drum herum. Überall herrschte eine Atmosphäre von dezentem Luxus, der aber nie prunkvoll oder überladen wirkte. Nachdem ein Hoteldiener ihre Koffer abgeholt hatte, fuhren die drei in einem kleinen Lift nach oben.
»Ich bin im ersten Stock«, sagte Tweed, als der Aufzug hielt. »Bob und ich haben Zimmer im zweiten Stock«, sagte Paula. »Aber ich habe Ihre Zimmernummer mitbekommen.«
»Dann kommen Sie mich doch später besuchen.« Tweed hatte ein großes Zimmer mit Blick über den Rhein. Zuerst machte er sich an das Auspacken seiner Sachen, die er in einem einzigen Schrank und in wenigen Schubladen verstaute, um sie im Notfall schnell wieder einpacken zu können. Nachdem er damit fertig war, trat er ans Fenster und schaute hinaus. Nach ein paar Minuten hörte er ein leises Klopfen an der Tür. Er öffnete sie und ließ Paula herein. Gemeinsam gingen sie zum Fenster.
»Unsere Zimmer schauen ebenfalls auf den Fluß«, sagte Paula. »Ich habe ganz vergessen, wie breit der Rhein hier schon ist. Dabei sind es noch mehrere hundert Meilen bis zur Mündung.« Paula bemerkte, daß Tweed ihr gar nicht zuhörte, sondern auf einen riesigen Lastkahn starrte, der auf ihrer Seite des Flusses stromaufwärts fuhr. Er erinnerte sich daran, daß der Schiffsverkehr auf dem Rhein streng geregelt war: Flußaufwärts fahrende Kähne mußten sich an einem, hinab zum Meer fahrende am anderen Ufer halten. Der Lastkahn war so lang, daß er eine volle Minute brauchte, bis er das Hotel passiert hatte und unter dem Bogen einer großen Brücke rechter Hand verschwunden war. Auf dem Heck des Kahns stand ein Kleinwagen. »An was denken Sie?«, wollte Paula wissen. »An nichts. Mich fasziniert bloß der Fluß. Haben Sie bemerkt, daß es wieder angefangen hat zu schneien? Ich würde vorschlagen, daß wir im Hotel bleiben. Zumindest so lange, bis Marler aus Genf zu uns stößt.«
»Das ist mir ganz recht. Ich bin müde. Die letzten Tage waren doch ziemlich anstrengend für mich. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mich gern in die Badewanne legen und dann eine Runde schlafen.«
»Tun Sie das. Ach, übrigens, was halten Sie eigentlich von Sharon?«
»An der Oberfläche kommt sie mir wie eine sehr elegante Frau vor, die ein wenig reserviert, aber freundlich ist.«
»An der Oberfläche?«
»Darunter scheint sie ziemlich rätselhaft zu sein. Schwer zu fassen.« Das Telefon klingelte. Paula blieb am Fenster stehen, während Tweed den Hörer abhob. Er sprach mit leiser Stimme und Paula gab sich keine Mühe, das Gespräch mitzuhören. Als er wieder auflegte, ging sie zur Tür und vermied es absichtlich, Tweed danach zu fragen, wer denn angerufen habe.
»Das war Arthur Beck, der Chef der Schweizer Bundespolizei. Sie kennen Arthur ja.«
»Ich habe ihn immer gemocht. Und Sie haben ihn einmal als den besten Polizeichef in ganz Westeuropa bezeichnet.«
»Er hat ziemlich niedergeschlagen geklungen. Er will sofort von Bern aus hierher fliegen, um mich zu sehen, und hat mich gebeten, das Hotel bis zu seiner Ankunft nicht zu verlassen. Das kommt mir alles ziemlich seltsam vor.«
»Sie haben doch selbst gesagt, daß wir hier in etwas Übles hineingeraten könnten. Ich bin davon ausgegangen, Sie würden übertreiben.«
»In Wahrheit habe ich die Gefahr vermutlich sogar noch unterschätzt.«
»Wie hat Beck nur so schnell herausgefunden, daß wir hier sind?«
»Er hat bei Monica angerufen. Eigentlich hätte sie ihm nicht sagen dürfen, wo ich bin. Ich muss ihn fragen, wie er das aus ihr herausbekommen hat. Aber es wird
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