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KALTHERZ

KALTHERZ

Titel: KALTHERZ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmgard Schürgers
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draußen, in der Halle samme l ten sich die Gardemädchen zu ihrem ersten Tanz, ein paar der Behinderten standen um sie herum und b e staunten die schmucken Mädchen. Es gab eine kleine Garderobe, an der Katja ihren Mantel abgab. An der Tür zum Festsaal ko n trollierte ein junges Mädchen ihre Ei n trittskarte.
    Katja hatte sich die Veranstaltung nicht so groß vo r gestellt. Der riesige Saal lag im Halbdunkel und war voll b e setzt. Das Programm hatte noch nicht angefangen. Auf der Bühne wurden die Requisiten hin- und herg e schoben und auch im Elferrat gab es noch Lücken. Sie sah wenig b e kannte Gesichter in dem bunten Durc h einander. Fast alle Behinderten hatten sich verkleidet, einige sehr fantasievoll in Clownskostümen, andere als Seeräuber, Prinzessinnen und eine s o gar als Nonne, die auf der Straße durchaus als echte Nonne hätte durchgehen können. Andere trugen nur ein Hütchen oder eine rote Pappnase. Viele rannten umher, begrüßten Freunde oder Freundinnen aus anderen Woh n heimen oder ließen einfach nur ihrem Bewegung s drang freien Lauf.
    Auf den hinteren Plätzen entdeckte sie Gertrud Wagner. Sie trug ein graues ausgeleiertes Männe r unterhemd und Katja fragte sich zum wiederholten Mal, warum der Frau ihr Äußeres offenbar so völlig egal war. Vor Gertrud Wa g ner stand ein großes Bier. Ein junger Mann beugte sich zu ihr hinunter und sprach auf sie ein. Gertrud Wagners G e sicht verfinsterte sich, sie schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Aber der junge Mann kam ihr noch näher und fuchtelte mit der Hand vor ihrem G e sicht herum. Schließlich zückte Gertrud Wagner ihr Port e monnaie, entnahm ihm einige Scheine und gab sie dem jungen Mann, der das Geld einsteckte und sofort dem Au s gang zustrebte.
    Katja wollte gerade zu Gertrud Wagner gehen, als ihr jemand auf die Schulter tippte.
    „Schön, dass Sie gekommen sind, haben Sie’s gleich g e funden? Das Vereinsheim liegt ja ein bisschen versteckt, vor allem, wenn man sich nicht in Fechenheim auskennt.“ Dagmar Pohl lachte sie fröhlich an. Sie hatte sich einen bunten weiten Overall angezogen und rote Herzen auf die Wangen gemalt. Die Haare standen in kleinen geflochtenen Zöpfen vom Kopf ab. Ein junges Mädchen mit dem Down Syndrom nahm ihre Hand und zerrte sie ungeduldig Ric h tung Bühne. Das Mädchen hatte ein apartes Gesicht mit dunklen Augen, einem vollen Mund und einer Stupsnase. Man sah ihr die Behinderung kaum an.
    „Suchen Sie sich schon mal einen Platz, ich muss mich um meine Gruppe kümmern, wir wollen nachher noch e t was au f führen. Ich komme später zu Ihnen.“ Die beiden eilten Richtung Bühne davon. Der Rock des Mädchens war nach unten gerutscht und über dem Rockbund wurde das obere Ende eines Stringtangas sichtbar. Katja war ve r blüfft. Jedes Mal, wenn sie glaubte, sie könne die Menschen, zu denen sie ihre Ermittlungen geführt hatten, schon ganz gut einschätzen, wurde sie eines Besseren belehrt. Das Mä d chen hatte Dagmar Pohl losgelassen und machte ein paar Tanzschritte zu der Musik, die aus dem Lautsprecher e r klang, und Katja musste sich eingestehen, dass sie ein gutes Körpergefühl hatte und sich sehr sexy zu der Musik b e wegte. Anders hätte sie es nicht ausdrücken können. Zwei junge Männer gingen auf das Mädchen zu, machten ebe n falls einige Tanzschritte und mal kam sie dem einen, mal dem anderen näher. Sie spielte regelrecht mit den beiden und schien sich in der Rolle zu gefallen. Dagmar Pohl nahm sie wieder an die Hand und zog sie mit sich hinter die Bühne.
    Es wurde immer lauter und endlich begann das Pr o gramm. Katja fragte sich, was ihr der Abend bringen sollte. Dagmar Pohl hatte ihr zwar versprochen, dass sie bei der Veranstaltung einige B e treuer, die mit Lothar Meyer zu tun gehabt hatten, kennenlernen könne, aber d a zu musste sie diejenigen erst mal ausfindig machen. Und bei dem Lär m pegel hätte ein Gespräch auch wenig Sinn. Außerdem fand sie es bedrückend, so viele Menschen mit einer B e hinderung an einem Ort zu sehen. Sie fühlte sich plötzlich übe r fordert.
    Suchend sah sie sich in dem dunkler werdenden Raum nach Gertrud Wagner um, die aber nirgends mehr zu sehen war. Es dauerte eine Weile, bis sie einen freien Stuhl g e funden hatte. Neben ihr saß eine junge Frau, die ab und zu laute Schreie ausstieß. Auf der anderen Seite saß ein Rol l stuhlfahrer. Er hatte große hervo r stehende Zähne und mehrere Warzen im Gesicht. Einige Behinderte,

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