Kaltherzig
legte seine Leiche zu einem halben Dutzend meist leerer Pizzaschachteln und zahllosen zusammengeknüllten Donut-Verpackungen hinein. Dann holte er einige kleine Tütchen Kokain aus seinem Beutel und deponierte sie inmitten des übrigen Mülls, wobei er darauf achtete, ein paar Rückstände der Droge an den Fingern des Jungen zu hinterlassen.
Er schloss den Kofferraum. Wenn man den Wagen und die Leiche darin schließlich entdeckte, würde es jeder plausibel finden, dass der Junge das Opfer eines schiefgegangenen Drogengeschäfts geworden war. Alle wussten, dass er die Gäste des Players mit Stoff versorgte. Man würde Jeff Cherry nur für ein weiteres Opfer im Drogenkrieg halten.
Schadensbegrenzung.
»Leider wird die Sache nicht so reibungslos für Sie laufen.«
Er fuhr beim Klang der Stimme zusammen und wirbelte herum.
Ein untersetzter, gepflegter Mann im braunen Anzug richtete eine Waffe auf ihn.
»Sie fragen sich, wer ich bin«, sagte der Mann.
Der Akzent war russisch. Bei dieser Erkenntnis jagte es Bennett Walker einen Schauder wie von Glasscherben über den Rücken.
»Ich bin Alexi Kulak«, sagte der Mann. »Ich habe Irina
Markova geliebt. Sie haben sie getötet. Und ich bin hier, um Sie zu töten.«
So einfach war das.
55
»Die Stiefel sind nicht hier«, sagte Weiss. »Entweder er hat sie weggeworfen, oder er trägt sie gerade.«
Sie standen vor dem Haus, um eine Pause zu machen. Landry hätte gern eine Zigarette geraucht; er stand unter enormem Druck. Aber er verbot allen Leuten, sich innerhalb von hundert Metern von einem Tatort, den er bearbeitete, eine anzustecken. Er wollte jede Kontaminierung möglichst vermeiden. Vor allem, wenn ein Strafverteidiger dabeistand und jeden Schritt beobachtete.
»Sie werden nichts finden, weil es nichts zu finden gibt«, verkündete Estes.
»Wir wissen, dass das Mädchen Samstagnacht hier war«, erwiderte Landry.
»Aber Sie werden hier keinen Hinweis auf einen Mord finden«, sagte Estes.
»Ja, das ist das Schlaue dabei, wenn man jemanden erwürgt«, mischte sich Weiss ein. »Keine rauchende Pistole, keine Patronenhülsen, keine blutigen Messer.«
»Sie haben angeblich die Zeugenaussage eines einzigen Mannes, dass das Mädchen überhaupt hier war«, sagte Estes. »Ist Ihnen in den Sinn gekommen, dass dieser Mann seine Gründe haben könnte, meinen Mandanten zu belasten? Zum Beispiel, weil er selbst der Schuldige ist?«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Landry.
»Vielleicht stellen Sie diese Frage besser Scotland Yard.«
Er hatte seine Hausaufgaben gemacht, dachte Landry - oder jemand hatte sie für ihn gemacht. Estes wusste von Barbaros Verwicklung in den Fall in England. Aber wenn Barbaro tatsächlich Irina getötet hatte, wozu hätte er seine Geschichte ändern sollen? Solange nicht aus heiterem Himmel ein Überraschungszeuge auftauchte, hätte niemand das Alibi, das er und Bennett sich gegenseitig gaben, erschüttern können.
Vielleicht holt er sich so seinen Nervenkitzel, dachte Landry: ein Mädchen töten, es einem Freund anhängen und das ganze Spektakel beobachten. Seine Freunde waren alles wohlhabende, einflussreiche Männer. Wohlhabende, einflussreiche Männer gingen nicht für Verbrechen ins Gefängnis, die sie nicht begangen hatten. Sie gingen ja kaum für solche ins Gefängnis, die sie begangen hatten, wie es schien.
»Sie haben nicht den Zipfel eines Beweises, dass das Mädchen in der fraglichen Nacht hier in diesem Haus war.«
Landry sagte nichts. Selbst wenn sie Beweisspuren fanden - Haare, Körperflüssigkeiten, was immer -, würden sie nicht belegen können, dass diese in der Mordnacht hinterlassen worden waren. Estes würde eine Schar bezahlter Gutachter vor Gericht aufmarschieren lassen - falls sie den Fall überhaupt vor Gericht brachten - und begründete Zweifel in die Köpfe der Jury hämmern.
Sie brauchten etwas Unwiderlegbares. Etwas, das nicht vor der Nacht des Mordes in Bennett Walkers Haus gewesen sein konnte und das eindeutig Irina zuzuordnen
war. Es hätte Landry nicht überrascht, wenn Walker seine sexuellen Eroberungen auf Video aufgenommen hätte. Es hätte zu seinem Ego gepasst. Doch selbst bei einem Videoband wäre der Aufnahmezeitpunkt schwer zu beweisen, es sei denn, die entsprechende Anzeige wäre aktiviert gewesen.
Er dachte an die Dinge von Irina, die sie am Kanal aufgesammelt hatten: eine kleine, zylindrische Handtasche, mit Rheinkiesel verziert. In der Tasche ein kirschroter Lippenstift, eine Puderdose, eine
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