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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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sie irgendwann im Laufe des Angriffs mit den Händen gewürgt hat. Aber dann haben
wir auch noch die Ligaturen. Kein Draht. Dafür gibt es zu viel Abschürfung. Es muss etwas mit Struktur gewesen sein. Wenn es ein Seil war, dann ein sehr dünnes. Ich sehe keine natürlichen Seilfasern, aber sie lag ja auch im Wasser. Da wären Faserspuren schon viel verlangt. Oder es könnte ein synthetisches Seil gewesen sein. Eine Nylonschnur vielleicht.«
    Sie schaute durch ein beleuchtetes Vergrößerungsglas und studierte lange die tiefen Rillen, die sich in den Hals des Mädchens geschnitten hatten. Die Haut war an einigen Stellen aufgeplatzt.
    »Ha«, sagte sie, nahm eine Pinzette und zupfte sehr vorsichtig etwas aus der Wunde.
    »Was ist das?«
    »Getrocknetes, geronnenes Blut. Schauen Sie.«
    Landry sah durch das Vergrößerungsglas auf das Stück Schorf. Mehrere Fasern, die so winzig waren, dass man sie mit bloßem Auge kaum erkannte, klebten daran. Kurz, superdünn, dunkel. Fast wie kurze Haare.
    »Die Laborleute werden sagen können, was es ist, wenn sie es unter ein Mikroskop legen«, sagte Gitan.
    »Es überrascht mich, dass Sie etwas gefunden haben.«
    »Manchmal haben wir Glück. Der Mörder hat sie nicht sofort in den Kanal geworfen. Die Wunden hatten Zeit zu trocknen und hart zu werden.«
    Als Gitan überzeugt war, jeden Zentimeter auf der Vorderseite des Leichnams untersucht zu haben, half Landry Cecil, das Mädchen umzudrehen. Gitan strich Irina Markovas Haar zur Seite, um die Male im Nacken zu untersuchen. Es gab keine.
    »Okay«, sagte Gitan. »Entweder es befand sich etwas
hinter ihr und zwischen ihr und dem Mörder, oder er saß vielleicht auf ihr und hat sie mit dem Band niedergehalten.«
    »Nach meiner Erfahrung wollen die Typen, die so etwas tun, das Gesicht des Opfers sehen, während sie es würgen«, sagte Landry. »Die Angst geilt sie auf. Das Licht in den Augen erlöschen zu sehen, gibt ihnen ein enormes Machtgefühl.«
    »Für mich sieht es aus, als hätte er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und sie dann wieder zu sich kommen lassen, nur um sie erneut zu ›töten‹.«
    »Krankes Arschloch«, murmelte Landry.
    »Er hat sie eine ganze Weile irgendwo liegen gelassen, ehe er sie in den Kanal warf«, bemerkte Gitan.
    Da kein Herzschlag es mehr durch den Körper pumpte, hatte sich das Blut des Mädchens als riesiger purpurner Fleck auf ihrem Rücken und der Rückseite von Armen und Beinen gesammelt. Die Leiche hatte so lange auf dem Rücken gelegen, dass das Blut geronnen war und sich gesetzt hatte, was Stunden dauerte. Egal, was mit dem Leichnam danach geschehen war, die Leichenflecke waren unverändert an Ort und Stelle geblieben.
    »Vielleicht musste er warten, bis er sie loswerden konnte«, sagte Landry. »Oder er ist einer von diesen Freaks, die gern mit ihnen herumspielen, wenn sie tot sind.«
    Landry blieb, bis Gitan so weit war, dass sie den Einschnitt am Kopf des Mädchens machen konnte. Die Kopfhaut würde zurückgezogen werden und der Schädel darunter auf Verletzungen untersucht. Dafür musste er nicht hier bleiben. Er musste auch nicht warten, bis Gitan den ersten Y-förmigen Einschnitt auf der Brust und den Rumpf
hinab machte. Er musste nicht zusehen, wie Irina Markovas Brustbein aufgestemmt und ihr Brustkorb wie eine Muschelschale aufgeklappt wurde. Er musste nicht dabei sein, wenn ihre Organe aus dem Körper geholt und gewogen wurden.
    Er hatte all das schon gesehen. Jeder Mensch hatte eine Leber. Jeder hatte Eingeweide. Ein Gehirn. Nichts davon war für ihn von Interesse. Die Organe wurden untersucht und gewogen, und man hielt alles schriftlich fest, weil es das Verfahren so wollte. Aber kein innerer Defekt, keine Krankheit hatte Irina Markova getötet.
    Die Krankheit einer anderen Person hatte Irina getötet - welche Bösartigkeit es auch sein mochte, die sich im Kopf von Mördern einnistet.
    Mit diesem Gedanken überquerte er die Parkplätze in Richtung Sheriffbüro und Mord/Raub-Dezernat.
     
    »Der Dolmetscher ist da«, sagte Weiss.
    Sie gingen in das Vernehmungszimmer, aus dem Weiss gerade gekommen war. Die Miene des älteren Herrn, der am Ende des Tisches stand, war nicht zu deuten. Sein langes Gesicht hätte aus Stein gemeißelt sein können. Er war schwarz gekleidet, hochgewachsen und schmal und trug einen kurz geschnittenen, weißen Schnauzbart und einen Ziegenbart, der knapp unter dem Kinn endete.
    Sein linkes Auge war durchdringend blau, das rechte milchig weiß, zerstört,

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