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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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sollte. Sie hatte wahrscheinlich Angst. Und das zu Recht. Ihre beste Freundin war ermordet worden.
    Es hätte mich nicht überrascht, wenn sie ihren Job gekündigt hätte. Und da nun mal Saison war in Wellington, überlegte ich sofort, ob ich sie vielleicht abwerben könnte, damit sie Irinas Stelle bei Sean übernahm. Auf diese Weise würde ich mich bei Jim Brody sicher beliebt machen.
    »Elena!«
    Und da war er auch schon, in einem blauen Hemd und einer Reithose, über deren Gürtel sein Bauch quoll.
    »Guten Morgen - hoffe ich«, sagte ich, Besorgnis vortäuschend. »Ich war auf der Suche nach Ihnen.«
    »Nun, hier bin ich«, sagte er, jovial wie eh und je.
    Er stand in der Einfahrt, und ich ging zu ihm. »Ich wollte mich wegen gestern Abend entschuldigen«, sagte ich.

    »Es gibt nichts zu entschuldigen«, sagte er. »Ben hat sich danebenbenommen.«
    »Trotzdem...«
    »Ich kannte ihn damals nicht«, sagte er. »Aber inzwischen kenne ich ihn seit ein paar Jahren. Er kann ein echtes Arschloch sein, aber im Grunde ist er ein anständiger Kerl.«
    Ein anständiger Kerl, der seine geistig labile Frau offen mit Mädchen betrog, die halb so alt waren wie er selbst. Irgendwie mussten die Hürden für Anstand gesenkt worden sein, ohne dass man mir Bescheid gesagt hatte.
    »Man sollte uns einfach nicht auf weniger als zehn Meter zueinander lassen«, erwiderte ich. »Zu viel Geschichte.«
    »Nun, das sollte uns andere aber nicht um das Vergnügen Ihrer Gesellschaft bringen«, sagte Brody. »Sie glauben nicht wirklich, dass er etwas mit dem Mord an Irina zu tun hatte, oder? Ich kann Ihnen sagen, er war ganz vernarrt in das Mädchen.«
    »Vernarrt?« Es rutschte mir genauso heraus, wie ich es nicht gewollt hatte.
    Brody störte sich nicht daran. Er lachte sogar. »Vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Irina amüsierte sich gern. Sie war stark, wusste, was sie wollte. Sie hätte etwas aus sich gemacht. Sie war hungrig.«
    »Das muss nicht immer gut sein«, sagte ich und dachte an die Rechnung von der Lundren Clinic und wofür sie gewesen sein mochte. »Es kommt wohl immer darauf an, was jemand will. Irina wollte vielleicht zu viel.«
    Er runzelte ganz leicht die Stirn. »Man kann nicht zu viel wollen«, sagte er. »Sie kennen sicher den Spruch: Nichts ist so erfolgreich wie der Exzess.« Er zwinkerte mit den
Augen. »Wer hat das gesagt?«, fragte er. Er versuchte, mich vom Thema abzubringen.
    »Oscar Wilde«, antwortete ich. »Hat bei ihm aber nicht so gut geklappt. Er starb völlig verarmt in einem Zimmer zur Untermiete.«
    »Tja...« Er schaute ratlos. Schwer, darauf eine schlagfertige Entgegnung zu finden.
    »Genieß dein Leben, solange du kannst, sage ich immer«, gab ich zum Besten und zwang mich zu einer fröhlichen Ausstrahlung.
    »Ganz meiner Ansicht«, pflichtete Brody bei. »Genau das sollten wir alle tun. Das ist die Lehre, die wir aus dieser Tragödie ziehen sollten.«
    »Ich würde lieber erst herausfinden, wer sie getötet hat, und hoffen, dass ich später die Muße haben werde, über die Moral aus der Geschichte nachdenken zu können«, erwiderte ich.
    Das gefiel ihm nicht. Sein Leben wäre sehr viel einfacher gewesen, hätte er mich mit einem funkelnden Schmuckstück oder einem Ausflug auf die Bermudas ablenken können. Aber das ist das Problem bei Frauen: Wir sind sehr viel schwerer zu beeindrucken, wenn wir das Alter, in dem wir erröten und kichern, erst einmal hinter uns gelassen haben.
    »Ich kann Ihnen da nicht helfen«, verlor er rasch alle Geduld mit mir. »Tatsächlich hat man mir geraten, überhaupt nicht über das Mädchen zu sprechen.«
    »Ach ja? Wer hat Ihnen das geraten?«
    »Mein Anwalt«, sagte er und sah mir direkt in die Augen. »Ihr Vater.«
    Die Neuigkeit hätte mich eigentlich nicht überraschen
sollen, dennoch stellte sie einen unerwünschten Nervenkitzel dar. Mein Vater war gerade wieder einen Schritt näher an mein Leben gerückt.
    »Tja«, sagte ich, »für diesen Rat bezahlen Sie viel Geld. Sie sollten ihn lieber befolgen.«
    »Ich habe das Gefühl, das haben Sie nie getan«, sagte er.
    »Nein«, sagte ich. Und ich habe ebenfalls teuer bezahlt. »Andererseits wurde ich nie als potenzieller Mordverdächtiger angesehen.«
    »Das verhindere ich schon im Ansatz«, sagte er. »Angriff ist die beste Verteidigung. Ich habe mit dem Tod des Mädchens nichts zu tun, und ich gestatte niemandem, es anders hinzustellen.«
    Ich fragte mich, was diesen Schritt ausgelöst hatte. Hatten Landry und

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