Kaltherzig
einer Handbewegung aus dem Büro.
Landry wandte sich ebenfalls zum Gehen.
»Erzählen Sie mir von Alexi Kulaks Besuch hier gestern Abend.«
Landry zuckte mit den Achseln. »Da gibt es nichts zu erzählen. Irina Markova war seine Nichte - jedenfalls behauptet er das. Er war hier, um die Leiche zu sehen und um sich wegen der Vorkehrungen für das Begräbnis zu erkundigen.«
»Mitten in der Nacht?«
»Würden Sie am helllichten Tag ins Sheriffbüro spazieren, wenn Sie Alexi Kulak wären?«
»Steht er unter Verdacht?«, fragte Dugan.
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Wenn Alexi Kulak jemanden umlegen lässt, dann geht er Borschtsch essen oder wie dieses Zeug heißt, das die Russen löffeln«, sagte Landry. »Er besucht sein Opfer nicht im Leichenschauhaus. Er fällt nicht auf die Knie, bricht weinend zusammen und schwört Rache.«
»Weiss sagt, Elena Estes hat die Leiche des Mädchens gefunden.«
»Ja. Und?«
»Sie haben vergessen, es mir zu sagen.«
»Es steht in meinem Bericht.«
»Den ich erst noch bekommen muss.«
»Ich war ein bisschen beschäftigt«, brauste Landry auf. »Abgesehen davon ist es nicht relevant«, sagte er. »Sie war in ihren eigenen Angelegenheiten unterwegs und hat rein zufällig eine Leiche entdeckt.«
»Und das Opfer arbeitet dort, wo sie wohnt«, ließ Dugan nicht locker.
»Soll ich ihr die Sache anhängen?«, scherzte Landry. »Das ergäbe ein paar saftige Boulevardschlagzeilen. Wir könnten es als Lesbendrama hinstellen. Oder wir drehen es so, dass sie das Mädchen getötet hat, um ihren Exverlobten hereinzulegen, ihn für die Vergewaltigung büßen zu lassen, mit der er damals ungeschoren davonkam. Anschließend vertritt ihr Vater das Arschloch wieder vor Gericht. Dann brauchen wir nur noch Bat Boy und einen Vierhundertachtzig-Kilo-Mann und wir haben eine komplette Ausgabe von Weekly World News beisammen.«
Dugan fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und stöhnte. »Stimmt. Elena Estes ist Edward Estes’ Tochter.«
»Ja.«
»Ich brauche eine Kopfschmerztablette.«
»Sie können es auch mit einem Drink versuchen«, schlug Landry vor, während sein Handy zu läuten begann.
»Stöbert sie in dem Fall herum?«, fragte Dugan. »Das kann ich nämlich nicht dulden. Besonders wegen ihres Vaters nicht. Es würde uns auf jeden Fall Ärger einbrocken.«
Landry schaute auf das Display. Es war Elena.
»Ich empfehle Wodka«, sagte Landry, während er aus der Tür schlüpfte. »Das geht mit allem.«
37
»Landry.«
Er meldete sich nach dem dritten Läuten. Ich hatte auf die Mailbox gehofft.
»Wenn sich diese Party vom Players in Walkers Haus verlagert hat, dann wurden alle Autos, die dorthin gefahren sind, an den Eingängen zum Polo Club von Überwachungskameras erfasst. Sie müssten die Bilder auf Band haben«, sagte ich ohne Einleitung. Ich hatte keine Lust mehr auf Höflichkeiten.
»Aber wir wissen nicht, wohin sich die Party verlagert hat«, sagte Landry. »Das Management des Polo Clubs beruft sich auf die Ungestörtheit der Privatsphäre. Ohne richterliche Anordnung kooperieren sie nicht.«
»Verdammt.«
»Wir arbeiten daran«, sagte er. »Wir kriegen die Bilder schon noch. Tut mir leid wegen gestern Abend.«
Ich brauchte eine Weile, um das zu verdauen.
»Ich habe mich unmöglich benommen«, sagte er. »Und es spielt keine Rolle, wieso.«
»Nein«, sagte ich leise, »es spielt keine.«
Dann legte ich auf. Nicht aus Zorn, sondern weil es keinen Sinn hatte, die Unterhaltung fortzusetzen. Er versuchte nicht zurückzurufen.
Ich fuhr hinaus zu Star Polo, zu den Stallungen, um nach Lisbeth zu suchen.
»Sie arbeitet nicht«, teilte mir einer der Hilfskräfte auf Spanisch mit. »Heute hat sie noch niemand gesehen.«
»Ist sie irgendwohin gefahren?«, fragte ich.
Er zuckte die Achseln.
»Ist ihr Wagen fort?«
»Nein, der ist da.« Er zeigte zum Ende der Scheune, auf ein sportliches, kleines rotes Cabrio.
Ich dankte ihm und ging, mir das Auto ansehen. Wohin sollte sie ohne Wagen aufgebrochen sein? Es war ein ziemlicher Fußmarsch bis in die Stadt. Ich bezweifelte, dass ihn jemand freiwillig auf sich nahm.
Hatte sie am Vorabend eine heiße Verabredung gehabt? Lag sie noch im Bett von Bennett Walker oder einem seiner Freunde? Ich glaubte es nicht. Diese Leute waren eine Nummer zu groß für Lisbeth, und das war ihr klar. Ich nahm an, jetzt, da Irina nicht mehr war, wusste sie nicht, was sie tun sollte, wie sie aus ihrer Rolle als eines der Mädchen dieser Clique herauskommen
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